Lärmaktionsplan Bretten – Bedenken und Anregungen

Leserbriefvon Gunter Lange

Am 29.9.2015 hat der Gemeinderat den Aufstellungsbeschluss für den Lärmaktionsplan Bretten gefasst.
Im Rahmen der Offenlage des Aktionsplanes zur vorgeschriebenen Bürgerbeteiligung gemäß §47d BImSchG im Amtsblatt vom 13.4.2016 möchte ich nachfolgende gravierende Bedenken und Anregungen einbringen. Hierzu bedarf es leider etwas längerer Erläuterungen und Begründungen.

Grundsätzlich begrüße ich, dass die Stadt Bretten ihrer Pflicht gemäß 34. Bundes-Immissions-Schutz-Verordnung nachgekommen ist und eine Lärmkartierung erstellen ließ. Die Gesundheit der von zu hohen Lärm-einwirkungen belasteten Bürgern ist ein sehr hohes Gut. Ziel des Lärmaktionsplanes ist daher richtigerweise, Möglichkeiten zur Lärm-minderung aufzuzeigen, damit der Gemeinderat daraus eine Handlungsstrategie und entsprechende Maßnahmen beschließen und verfolgen kann.

Genau aber gegen diese vom beauftragten Büro und der Verwaltung vorgelegten „Lärmminderungsplanung“ muss ich grundsätzliche Bedenken geltend machen. Es werden nur Maßnahmen vorgeschlagen, die speziell beim Straßenverkehrslärm die „Symptome“ mit Tempo 30, Umbau von Fahrbahnbelägen und baulichem Schallschutz, aber nicht die Ursachen behandeln.

Die Ursache für überschrittene Schallgrenzwerte durch zu hohe Verkehrsbelastungen innerörtlicher Straßen ist aber der darin enthaltene Durchgangsverkehrsanteil auf der B 294 und der L1103 sowie der auch als Durchgangsverkehr zu zählende Zielverkehr vom Südeingang der Stadt in die nördlichen und westlichen Stadtteile sowie das Industriegebiet und umgekehrt. Grund dafür ist die fehlende Umgehung im Zuge der B 294.

Ziel einer Lärmkartierung und eines Maßnahme-Planes muss daher zunächst sein, die Lärmentlastungen von Umgehungsstraßen-Varianten auf die relevanten Innenstadtstraßen aufzuzeigen. Anderenfalls hat der Gemeinderat gar nicht die Möglichkeit, unter allen Maßnahme-Varianten nach eigener Bewertung auszuwählen. Die von der Verwaltung vorgelegten Lärmminderungsmaßnahmen zur „Symptom-Behandlung“ wurden als Zielsetzungen schon in die Beschlussfassung zum Aufstellungsbeschluss eingearbeitet. Dies halte ich für einen Verfahrensfehler.

Außer einer Lärmminderung gibt es auch noch andere wichtige Belange, die ein Gemeinderat berücksichtigen können muss. Z. B. stellt die Ausstattung eines Mittelzentrums und einer Region mit leistungsfähiger Verkehrsinfra-struktur einen wesentlichen Potentialfaktor im Standortwettbewerb der Regionen dar. Wenn also Investitionen in einen Straßenneubau durch Verkehrsentlastung innerörtlicher Straßen hier schon die angestrebte Lärmentlastung bringen könnten, würden die eingesparten Kosten für Symptom-Behandlungen die Neubaukosten reduzieren, aber gleichzeitig als öffentlicher Input in die volkswirtschaftlichen Leistungsprozesse die Produktivität der ansässigen Wirtschaft erhöhen und auch den kernstädtischen Handel durch zügigeren Binnenverkehr befeuern, sowie ggf. innerörtliche Unfälle verringern.

M.W. liegen Planungsamtsleiter Braun die Verkehrsentlastungswirkungen der verschiedenen Umgehungsvarianten im Zuge der B 294 auf das Kernstadtnetz vor, so dass hier leicht durch ein Verkehrsfachbüro auch die verschiedenen Lärm-Entlastungsdaten errechnet werden können. Ziel sollte m. E. sein, schnellstmöglich Lärm-Entlastungserkenntnisse durch eine effektive Umgehungstrasse für die Verfolgung einer besseren Dringlichkeitseinstufung noch in das vor dem Abschluss stehende Fortschreibungsverfahren des Bundes-Verkehrswege-Planes zu nutzen.

Mit genau dieser Intuition hatte z. B. der Regionalverband Schwarzwald-Baar-Heuberg, die IHK sowie die Stadt Reutlingen gemeinsam eine verkehrswissenschaftliche Untersuchung beim Institut für Verkehrswissenschaft der UNI Köln erstellen lassen (siehe hier). Auf diese Weise hat diese Region sechs Vorhaben beim Bundes-Verkehrswege-Plan 2015 in das Planungsrecht bekommen (B 14 OU Spaichingen, B 27 OU Behla, B 27 Hüfingen, B 311 Immendingen, B 462 OU Schramberg, B 523 OU Villingen-Schwenningen).

Daher meine Anregungen:

1. Die Lärmentlastungswirkungen auf die dargestellten relevanten
Innenstadtstraßen durch die drei verschiedenen Umgehungs-varianten im Zuge der B 294 schnellstens berechnen zu lassen und noch in das laufende Fortschreibungsverfahren einbringen.

2. Anschließend umgehend Mitverfechter (Reg. Präs., Regionalverband, IHK, Abgeordnete u.a.) für die Neubewertung der Dringlichkeit in Berlin noch im nicht abgeschlossenen Verfahren suchen und in Berlin vorstellig werden.

3. Die Netzbelastung der Kernstadt bei Drehung der Einbahnrichtung der Pforzheimer Straße in Süd-Nord-Verkehr und die daraus resultierenden Lärmänderungen berechnen zu lassen.

Fatal für die Zukunft Brettens wäre, wenn Bretten nur die bisher vorgeschlagenen „Symptom-Maßnahmen“, wie Tempo 30, neue Beläge und neue Fenster als Brettener Wünsche den zuständigen Behörden zur Förderung vorlegt und diese dann Bretten für den Bau einer Umgehungs-straße nicht mehr unterstützen. Wenn z. B. eine Umgehungs-strasse die Lärmminderung auf vielen Straßen unter den Maximalwert drückt und dann Tempo 30 und Straßenbelagsumbauten entbehrlich werden, ist dies ein volkswirtschaftlicher Nutzen durch ersparte Fahrzeiten für alle Handwerker, ÖPNV, Zulieferer und Berufstätige allgemein, der den Kosten-Nutzen-Faktor bei der Dringlichkeitsbewertung verbessert.

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