Das Memelland und der „Versailler Friedensvertrag“

Teil 2 zum Artikel „Ausflug in die Geschichte: die Stadt Memel, der Memelstrom und das Ännchen von Tharau
von Helmut Katzmann †
Am 28. Januar 1920 wurde der Versailler Vertrag zwischen den Alliierten und Deutschland unterzeichnet. Es sollte ein Friedensvertrag sein, war aber ein Diktat der Willkür erstellt von den Ländern Frankreich, England und Italien.
Wie immer diktierte der Sieger – die Alliierten, dem Verlierer – Deutschland, die Bedingungen eines „Friedensvertrags“, der keiner war!

Nach knapp vier Monaten lag dieser, der die Existenz Deutschlands gefährdete, als Vertragsentwurf vor. Clemenceau für Frankreich, Lloyd George für England und Orlando für Italien legten die so genannte Friedensordnung fest. Die übrigen 23 Siegerstaaten waren aus den Verhandlungen ausgeschlossen. Sie waren aber in bestimmte Sachgebiete eingebunden und konnten zunächst Ihre Wünsche vortragen.

Das deutsche Reich schien nach dem Versailler Vertrag ein Selbstbedienungsladen für bestimmte Nationen in Europa zu sein, zumindest für wertvolle Gebiete, Maschinen, Anlagen, Tiere und Bodenschätze. Obwohl Polen nicht zu den Siegermächten zählte, erhoben sie hohe Forderungen an die Alliierten, Litauen dagegen erhob die Forderungen über die das ganze Memelland; zudem auch die ganze kurische Nehrung, einschließlich Königsberg.

Im Februar 1919 forderte die polnische Delegation die Versailler Siegmächte auf, ganz Oberschlesien, Ostpommern, ganz Westpreußen, das Memelland und ganz Ostpreußen unter polnische Verwaltung zu stellen. In dem Friedensvertrag waren Milestones eingebaut, in dem bei fast allen Punkten eine Konfrontation mit den anderen Staaten und Deutschland vorprogrammiert war.

Zum Beispiel:

1. Memelland
Dieses Land war seid 1422 deutsches Gebiet und war weder strategisch noch wirtschaftlich interessant
2. Danzig
Die Tatsache, dass die Stadt fast ausschließlich von Deutschen bewohnt war, konnte nicht verhindern, dass gegen den Willen der Bevölkerung Danzig zur Freistadt proklamiert und dem Völkerbund unterstellt wurde, mit enger wirtschaftlicher Verbindung an Polen.
3. Westpreußen
Hier folgten die Alliierten dem Wunsch Polens, einen Weg zur Ostsee zu erhalten.
Kein Land der Welt würde auf Dauer hinnehmen, wenn durch sein eigenes Land ein Korridor geschaffen würde für eine andere Nation.

In Deutschland löste diese Nachricht einen Sturm der Entrüstung aus. Die damalige Reichsregierung unter Philipp Scheidemann reagierte mit einem flammenden Protest. Er nannte diesen Vertrag einen Mordplan und erklärte sich außerstande ihn anzunehmen.

Durch Gegenvorschläge versuchte die Regierung eine Milderung der Bedingung erreichen. Alle deutschen Gegenvorschläge wurden jedoch von den Alliierten zurückgewiesen. Aufgrund der unmenschlichen Forderungen lehnte der Reichspräsident Philipp Scheidemann den Vertrag ab und trat mit seinem Kabinett am 20. Juni 1919 geschlossen zurück.

Nach ultimativer Aufforderung der Alliierten zur bedingungslosen Annahme des Vertrags wurde er nun von den neuen Regierungsmitgliedern, Außenminister J. Müller und Verkehrsminister J. Bell, am 28. Juni 1919 im Spiegelsaal von Versailles unterzeichnet.

Der Friedensvertrag trat am 10. Januar 1920 in Kraft. Deutschland hat durch diesen Vertrag rund 75 000 km² und rund 7,3 Millionen Einwohner von Memel bis zum Sudetenland verloren.

Wie schon erwähnt, überhäufte die polnische Delegation die Alliierten mit maßlosen Territorialansprüchen – und die Großmächte England, Frankreich und Italien erfüllten weitestgehend die Forderungen.

Folgende Gebiete gingen infolge des Vertrags verloren:

Tschechoslowakei:
Hultschiner Ländchen, ohne Volksabstimmung musste das wegen seiner hohen Steinkohlevorkommen wirtschaftlich bedeutende 315 km² große Gebiet abgetreten werden, obwohl die Bevölkerung aus überwiegend Deutschen bestand.
Ab Juni 1921 war von Deutschland täglich die traumhafte Summe von 110 Millionen Goldmark zu zahlen.

Polen:
Westpreußen, Oberschlesien und Posen fielen an Polen, wobei zu bemerken ist, dass Polen bereits am 27. Dezember 1918 die Stadt Posen besetzt hat.
Wer sollte sie daran hindern, denn Deutschland hatte einen Friedensvertrag mit der Ukraine und Russland am 9. Februar – bzw. am 19. Februar 1918 in Brest Litowsk geschlossen, sowie mit den Alliierten einen Waffenstillstandsvertrag am 11. November 1918.
Die Alliierten wurden somit durch die frühe Besetzung Posens vor vollendete Tatsachen gestellt. Zu Posen ist noch zu sagen, dass sich schon im 13. Jahrhundert Deutsche ansiedelten und die Stadt für lange Zeit prägten. Im Zuge der polnischen Teilung kam es 1793 zu Preußen.

Am 26. März 1921 fand die Abstimmung in Oberschlesien statt.
Rund 60% der Bevölkerung stimmten für die Zugehörigkeit zum deutschen Reich. Die Bemühungen des Reiches, Oberschlesien ganz als deutsche Heimat zu retten fehlgeschlagen. Die Alliierten verkündeten Ihre Entscheidung., danach wurde der wertvollste Teil des Industriegebietes mit den meisten Bergwerken und dem größten Teil der Bodenschätze Polen zugeschlagen.
Der Verlust dieses Gebiets zeigte unumgängliche Rückwirkungen auf die deutsche Wirtschaft. Das Kabinett Wirt trat am 22. Oktober 1921 zurück, da es diese Entscheidung nicht tragen konnte.
Rund 2,1 Millionen Menschen lebten nun unterdrückt in Polen.

Nach der Besitznahme der deutschen Provinzen, vollzogen die Polen den zweiten Schritt und begannen mit der Polonisierung der Bevölkerung. Man kann sich kaum ein Bild davon machen, was es für die Deutsche Bevölkerung bedeutete, plötzlich zu einer anderen Nation, Kultur und einer anderen Sprache anzugehören.
1919 wurde der polnische Korridor eingerichtet, somit Ostpreußen vom Mutterland getrennt. Wer auf dem Landweg von Ostpreußen ins Reich fahren wollte, musste den polnischen Korridor durchqueren und für die mitgeführte Ware Zoll bezahlen.

Memelgebiet:
Wie bereits erwähnt, gehörte das Memelland seit 1422 zu Preußen. Trotz überwiegend deutscher Bevölkerung wird es nach Versailles dem „Völkerbund“ und französischer Verwaltung unterstellt.
Ab 14. Februar 1920 trafen in Memel rund 200 französische Soldaten ein. Trotz dieser Änderung blieben die Memelbewohner deutsche Staatsangehörige. Das Memelland wird ein eigenes geschlossenes Zollgebiet.
Litauen bleibt das Verlangen nach dem Memelland. So beschließt die Litauische Verfassung das Memelland mit Litauen zu vereinigen. Vom 10.-16. Januar 1923 dringen einige litauische Soldaten in Memelland ein und vertreiben die Franzosen. Die Eroberung des Memellandes durch die Litauer erfolgte mit Waffengewalt.
Das ungefähr 200 Mann starke französische Infanterie Batallion konnte sich gegen die 5000-6000 litauischen Soldaten nicht behaupten und zog sich in die Stadt zurück.

Nach einer lebhaften Schießerei hisste am 16. Januar 1923 der französische Kommandant die weiße Flagge der Kapitulation. Am 18. Februar 1923 verließen die Franzosen Memel. Am 08. Mai 1924 wird die Memel-Konvention im Namen des Völkerbundes von England, Frankreich, Italien, Japan und Litauen unterzeichnet.

Nach Artikel 1 des Memelstatuts bildet das Memelland fortan eine nach demokratischen Grundsätzen aufgebaute Einheit unter der Souveränität Litauens. Die litauische Regierung ist jetzt im Memelland durch einen Gouverneur vertreten.
Am 22. März 1939 gab Litauen das Memelland an das Deutsche Reich zurück, ohne, dass ein Schuss gefallen ist. Litauen erhält gewisse Rechte in Memel garantiert.
Der Anschluss des Memellandes entspricht dem Willen der großen Mehrheit der Bevölkerung.

In wie weit die deutsche Reichsregierung Druck auf die Litauische Regierung ausgeübt hat, oder Litauen aus Vernunft das ursprünglich deutsche Memelland an Deutschland zurück gegeben hat, ohne, dass ein Schuss gefallen ist, ist nicht bekannt.

In dem Städtchen Heydekrug, das im Memelland liegt, sind zwei bekannte Persönlichkeiten geboren. Einmal Hermann Sudermann, bekannt durch das Buch „Eine Reise nach Tilsit“ und die Sängerin Alexandra, bekannt durch einige Schlager u.a. „Mein Freund der Baum ist tot“.

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