Was wurde hier „korrigiert“?

bak_logovon Matthias Menzel
Einen bemerkenswerten Vorgang bei den Badischen Neuesten Nachrichten konnte der aufmerksame Leser in der Ausgabe vom 28.06.2013 feststellen: ein Leserbrief, den die Zeitung einen Tag vorher abgedruckt hatte, musste anscheinend „korrigiert“ werden. Worum ging es, was war der Anlass für diesen bisher einmaligen Vorgang?

Der angesprochene Leserbrief, den wir hier in voller Länge abgedruckt haben (Ausgabe in den BNN war „gekürzt“), beschäftigte sich mit dem Vorhaben der Firma Deuerer, bzw. dem privaten Wunsch-Projekt des Firmeninhabers Hans-Jürgen Deuerer, auf dem Rotenberger Hof eine Reitanlage mit Pferdezucht, sowie ein Forschungszentrum für Tiernahrung zu bauen. Die Autorinnen bezeichneten in ihrem Leserbrief das Gelände des Rotenberger-Hofes als Teil des „Naturschutzpark Stromberg-Heuchelberg“, was in der Tat so nicht richtig ist. Es handelt sich um den „Naturpark Stromberg-Heuchelberg“.
Man reibt sich verwundert die Augen, geht es in der „Korrektur“ der BNN um Erbsenzählerei, wozu dieser Aufwand, nur um klarzustellen, dass ein „Schutz“ des Gebietes Rotenberg Hof naturschutzrechtlich nicht besteht, es aber trotz allem Teil eines Naturparks ist, dem aber, laut Aussagen der Naturparkverwaltung, „eine besondere Bedeutung als Ausgleichs- und Erholungsraum für eine zunehmend urbanisierte Gesellschaft“ zukommt?

Etwas klarer wird die Absicht hinter dieser „Korrektur“, da auch noch der Amtsleiter der unteren Naturschutzbehörde im Landratsamt Karlsruhe, Schneider, mit der Bemerkung zitiert wird, dass „es dort grundsätzlich möglich sei, ein Baugebiet auszuweisen, wenn man das Gelände aus dem Naturpark herausnähme„. Eigenartig daran ist allerdings, dass die Entscheidung über das Herausnehmen von Flächen aus dem Naturpark durch das Regierungspräsidium Stuttgart gefällt wird.
War das also ein Vorgriff einer anderen (untergeordneten Behörde), oder sind hier bereits Absprachen getroffen worden?

Zu erwähnen ist noch, dass bereits 2006 für die Erschließung der später von der Firma Deuerer gekaufte Gewerbe-Fläche im Rüdtwald, 22ha aus dem Naturpark heraus genommen werden mußten! Damals argumentierte das Regierungspräsidium Stuttgart unter anderem, dass „die Schaffung der entsprechenden Rahmenbedingungen zur Pflege vorhandener und zur Schaffung neuer Arbeitsplätze“ eine maßgebliche Aufgabe des Mittelzentrums Bretten sei und genehmigte die Herausnahme (die gesamte Stellungnahme lesen Sie hier).
Jetzt geht es aber doch um eine private Reitanlage?
Zweck der „Korrektur“ in den BNN ist also offensichtlich der, klarzustellen, dass Deuerer jederzeit auf dem Rotenberger Hof bauen kann, wenn er nur will!

Im zweiten Teil der „Korrektur“ geht es um die Population des Springfrosches im Rüdtwald. Hier hatten die Leserbriefschreiber behauptet, dass die Population des nach Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) streng geschützten Frosches, infolge der Abholzungen im Rüdtwald, von ursprünglich 400 auf 40 zurückgegangen sei. Auch dem widersprach der Leiter der unteren Naturschutzbehörde, Schneider, in der „Korrektur“: „Seiner Behörde lägen andere Zahlen vor“ und: „wir gehen davon aus, dass die damals extra geschaffenen Teiche von den Tieren als Laichgebiete auch angenommen werden„.

Dazu muß folgendes angemerkt werden: In Folge des Genehmigungsverfahrens Rüdtwald wurde die Stadt Bretten verpflichtet, jährlich eine Erfassung der Amphibien entlang der abgeholzten Fläche im Rüdtwald durchzuführen. Dazu wurde eine Amphibienleiteinrichtung angelegt. Die seit 2007 jährlich durchgeführte Erfassung wurde fachkundlich vom BUND, Ortsgruppe Bretten, begleitet. Dem BUND liegen deshalb auch die Zahlen aus den Zählungen vor, die, davon ist auszugehen, in Kopie an die untere Naturschutzbehörde Karlsruhe übermittelt wurden. Nach Informationen des BUND die uns vorliegen, wurden noch 2007, also unmittelbar nach der Abholzung der 22ha Rüdtwald-Fläche, 710 Springfrösche gezählt (nicht wie von den Autorinnen behauptet 400!), siehe auch folgenden Artikel vom 12. März 2013: „Brettener Lurche weiterhin gefährdet„.
Der Vollständigkeit halber, die Zahlen der folgenden Jahre:

2008 58 Springfrösche
2009 123 Springfrösche
2010 14 Springfrösche
2011 34 Springfrösche
2012 41 Springfrösche

Unverständlich also die Behauptung des Amtsleiters im Landratsamt, es lägen andere Zahlen vor; woher, wie wurden die Zahlen erhoben? Dass die angelegten Laichgebiete angenommen worden seien, ist tatsächlich mehr der Hoffnung der Behörde geschuldet, denn tatsächlichem Wissen. Das im Genehmigungsverfahren Rüdtwald noch versprochene Monitoring hätte hier Beweise bringen können, wurde aber nicht durchgeführt. Seitens des BUND kann diese „Hoffnung“ nicht bestätigt werden und es muß davon ausgegangen werden, dass die Population des Springfrosches im Rüdtwald stark geschädigt wurde und sich im weiteren Rückgang befindet.

Insgesamt bewertet, scheint die „Korrektur“ eines Leserbriefes in den BNN vom 28.06.2013, die Absicht gehabt zu haben, das private Projekt des Herrn Deuerer nicht mit der Verletzung eines Naturschutzgebietes in Verbindung zu bringen und im zweiten Teil, die Auswirkungen der Abholzung von 22ha ökologisch hochwertigen Rüdtwaldes, in dem die Firma Deuerer gerade mit dem Bau eines Hochregallagers beginnt, herunter zu spielen. Betreiben die BNN damit Öffentlichkeitsarbeit für Deuerer, bezahlt von den Abonnenten?

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3 Antworten zu Was wurde hier „korrigiert“?

  1. ghg sagt:

    In der Thematik wird ein angepasstes Verhalten von Amts wegen in der Zeitung als Richtigstellung vorweggenommen mit dem Ziel, einem bevorstehenden Druck und Protest der Öffentlichkeit zu begegnen.

    Ob der in Rede stehende Amtsleiter aus eigenem Antrieb geschrieben hat, wage ich zu bezweifeln. Eine weitere Person wird vermutlich dazu eine Anweisung gegeben haben. Diese Person ist gleichermaßen der wirtschaftlichen und naturverträglichen Entwicklung im Landkreis Karlsruhe verpflichtet.

    Der Stadt Bretten den Planungsspielraum für dortige Gewerbeansiedlung zu erhalten, ist im Einklang mit den Naturpark-Zielen unvereinbar.

  2. -an-i- sagt:

    „Leserbriefe kann man “korrigieren”, die Realität aber nicht.“
    Wie Recht Sie haben H.U.!

    Allerdings kann man die Realität durch (pseudo)Macht nur eine Zeit lang unterdrücken. Im Gegensatz zur Ehrlichkeit. Deshalb sollte man unbedingt diese beiden Begriffe im Zusammenhang sehen und erwähnen.
    Das können die Politiker und entsprechende Entscheider überhaupt nicht brauchen. 🙂

  3. H.U. sagt:

    Das was Herr Menzel ganz zum Schluss ausführt, sind Vermutungen. Das Schlimme aber: meistens stimmen die Vermutungen, es spielt sich täglich und tausendfach in unserer Gesellschaft ab. Mit brachialer Energie wird eigennütziger Einfluß ausgeübt, überall.

    Es ist zu vermuten, dass die USA die Welt abhört.

    Es ist zu vermuten, dass Banken ihre Bilanzen gefälscht hatten.

    Es ist zu vermuten, dass ein abgeholzter Wald womöglich Spuren hinterlässt.

    Es ist zu vermuten, dass Versiegelung Hochwasser begünstigt.

    Vermutungen werden immer dann zur Gewissheit, wenn es zu spät ist. Wir sind ja vielfältig darin geübt, so lange zu warten.

    Und es klingt schon seit Jahren in meinen Ohren, wie selbst öffentliche Stellen den irrwitzigen Flächenverbrauch kritisieren. Es ändert sich aber nichts, es wird gebaut, versiegelt und abgeholzt. Naherholung, Schonung der Natur – Fehlanzeige.

    Wir haben ja einen grünen Ministerpräsidenten, wird man von dort Einhalt erwarten können?

    Das Wort „Naturschutzpark“ im Vergleich mit dem Wort „Naturpark“ impliziert, dass es bei ersterem Begriff etwas schützenswertes gibt. Mit anderen Worten: ein Naturpark ist beliebig verwendbares „herausnehmbares“ Bauland? Und ist es nicht eigentlich auch der Mensch, der ebenfalls Schutzräume braucht, um aus der Betonwüste zu entfliehen? Es geht doch garnicht nur um den Springfrosch, es geht inzwischen um das einigermaßen würdevolle Überleben des Menschen. Dass das was mit Naturerhalt (und nicht etwa mit optimiertem Hundefutter) zu tun hat… dazu hatte man ja genug Zeit, um das langsam zu begreifen.

    Leserbriefe kann man „korrigieren“, die Realität aber nicht. Jene bricht sich unweigerlich Bahn, irgend wann… aber auch das weiß die Menscheit eigentlich schon seit Langem.

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