Eine Oase des Glücks im Streikland

Von Henning Maak

Überquellende Abfalleimer, Müllberge auf der Straße, verzweifelte Mütter vor verschlossenen Kindergärten – alles das gibt es in Bretten nicht. Während in weiten Teilen Baden-Württembergs im öffentlichen Dienst für den Erhalt der 38-Stunden-Woche gestreikt wird, arbeiten die Beschäftigten in der Großen Kreisstadt seit dem 1. Januar dieses Jahres freiwillig 40 Stunden. Oberbürgermeister Paul Metzger (CDU) spricht von einer Oase des Glücks für seine 28 000 Einwohner. Er hat seine Beschäftigten von der freiwilligen Mehrarbeit überzeugt.

Im November warb der 62-Jährige in einem Brief an seine 266 Mitarbeiter für die freiwillige Mehrarbeit. Im Einvernehmen mit dem Personalrat wurde beschlossen, dass jeder Einzelne für sich entscheiden solle, ob er zu einer 40-Stunden-Woche ohne Lohnausgleich bereit wäre. Fast 95 Prozent der Mitarbeiter unterschrieben eine Erklärung, bis zum Abschluss eines neuen Tarifvertrages die unentgeltliche Mehrarbeit leisten zu wollen.

„Die Mitarbeiter haben ein Stück Solidarität für ihren sicheren Arbeitsplatz erbracht“, sagt das Brettener Stadtoberhaupt mit einem gewissen Stolz. Ein Streik würde stets auf dem Rücken der Bürger ausgetragen. Wegen der knappen Finanzmittel müsse die Arbeitszeit verlängert werden, um das Niveau der Dienstleistungen für die Bürger zu erhalten.

Beeindruckt war Metzger, dass die städtischen Auszubildenden der Arbeitszeitverlängerung zu 100 Prozent zugestimmt haben. So entschloss er sich zu einer Gegenleistung: Er will im neuen Stellenplan ausreichend Gelder bereitstellen, um die 15 Auszubildenden mindestens sechs Monate nach ihrem Abschluss weiter zu beschäftigen. Das war in den vergangenen beiden Jahren aus finanziellen Gründen nicht möglich.

Der Brettener Oberbürgermeister sitzt als Vertreter des Kommunalen Arbeitgeberverbandes (KAV) mit den Verdi-Vertretern am Verhandlungstisch. Er ist Sprecher der Stadt- und Landkreise und Körperschaften des öffentlichen Rechts im KAV – und seit mehr als 40 Jahren Mitglied der Dienstleistungsgewerkschaft. „Ich bin das älteste Verdi-Mitglied von Bretten“, erzählt er mit einem Schmunzeln auf den Lippen. Für „Auseinandersetzungen ideologischer Art“ hat er jedoch kein Verständnis.

Die Verdi-Führung war von Metzgers Vorschlag nicht begeistert. In einem Brief versuchte man vergeblich die Zustimmung der Beschäftigten zu verhindern. Von einem stärkeren Druck auf die Streikbrecher weiß der Personalratsvorsitzende Konrad Beisel nichts: „80 Prozent der Beschäftigten haben die Erklärung ohne Kommentar abgegeben.“

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Eine Antwort zu Eine Oase des Glücks im Streikland

  1. Matthias Menzel sagt:

    Je weniger Zustimmung und Vertrauen Herr Metzger in seiner Stadt hat, desto weiter entfernt und lauter muss er behaupten, was für eine „Oase“ er für uns Bürger geschaffen hat. Inzwischen hat aber, dank der Internetseiten des BAK, jedermann die Gelegenheit, sich über die „ausgetrocknete Wasserstelle“ und die verdorrten Dattelpalmen in Metzgers Traumwelt zu informieren. Diese gewaltig geschönte Selbstdarstellung wurde den Agenturen offenbar wie Sauerbier angeboten, er erschien u.a. noch in der Bietigheimer Zeitung und in der Schwäbischen Zeitung.
    Um den Wahrheitsgehalt seiner Aussagen zu überprüfen, siehe auch diesen Artikel aus der Stuttgarter Zeitung

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