Gemeinsinn statt Egoismus

Interview mit Brettens Oberbürgermeister Paul Metzger
Bretten. (gm)

Die schwierige Haushaltslage lässt der Stadt wenig Spielraum für neue Planungen. Was muss unterbleiben, was hat Vorrang?
Vorrang hat wie bisher auch, was der Zukunftssicherung dient: Also Schule, Bildung, Ausbildung einerseits, andererseits die Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen. Die beiden großen Themen bedingen sich gegenseitig: Eine gute Ausbildung ist Voraussetzung um Arbeit zu bekommen und viele, stabile Arbeitsplätze sind die Voraussetzung für gute Steuerzahler – im Gewerbe wie bei der Einkommenssteuer. Zu unterbleiben hat alles, was für ein lebenswertes Gemeinwesen nicht zwingend nötig ist!

Und was stünde auf dem Wunschzettel, wenn man mehr Möglichkeiten hätte?
,,Wünsche sind zollfrei“, heißt es – aber nicht zum Nulltarif zu erhalten. Meine Wünsche für eine Verbesserung der Lage unserer Stadt sind gar nicht so stark finanzorientiert Natürlich wünsche ich mir z.B., dass der Bund genügend Geld zur Verfügung stellt, damit wir zur Entlastung der Innenstadt und der Wilhelmstraße eine Südwest-Umfahrung erhalten und der Alexanderplatz nicht – wie jetzt mit vielen Behinderungen geschehen – nur eine provisorische Ertüchtigung erhält. Aber mindestens so wichtig wären in meinen Augen, der Abbau von bürokratischen Hemmnissen, wenn es um die Gestaltung der Zukunft geht oder mehr Gemeinsinn als Egoismus. Leider gibt es in unserer Gesellschaft zu viele Negativbeispiele – auch in der Politik.

Und da macht es Spaß, die Bürokraten gelegentlich auszutricksen?
Spaß macht das nicht – im Gegenteil, es bringt Ärger. Es ist aber nötig. Wenn der gesunde Menschenverstand von Paragraphen überlagert wird, kann man doch nicht einfach nur zusehen und alles wie gehabt laufen lassen. Was mich am meisten ärgert ist, dass zum Überwinden bürokratischer Absurditäten viel mehr Zeit und Energie benötigt wird als für die Sache selbst. Demokratie steht in der Gefahr, dass sie zur ,,Bürokratur“ mutiert. Der Verfassungsrang der kommunalen Selbstverwaltung und die kommunale Planungshoheit verlieren immer mehr an Bedeutung. Sie werden in wichtigen Bereichen von Ermessensentscheidungen staatlicher Mitarbeiter überlagert Dies schadet seit Jahren unserer Volkswirtschaft und damit dem Arbeitsmarkt. Wir haben deshalb nicht nur zu hohe Lohnnebenkosten, sondern viel zu hohe „Bürokratienebenkosten“, die die Betriebe und den Steuerzahler massiv belasten.

Thema Rüdtwald – ist alles im Zeitplan, oder sehen Sie die Gefahr, dass 2006 neu anzusiedelnde Arbeitsplätze für Bretten verloren gehen?
Die Gefahr ist sehr konkret. Zwar dürfte es zwischenzeitlich klar sein, dass wir das Industriegebiet um 22 ha im Rüdtwald erweitern können- aber ab wann ist keineswegs klar. Leider muss ich befürchten, dass eine innovative Firma, die 200 Arbeitsplätze mit weiteren Perspektiven nach Bretten bringt, die Geduld verliert. Dies würde dem Arbeitsmarkt und den städtischen Finanzen schaden. Grund sind die fünf unterschiedlichen Verfahren, die jeweils immer von den gleichen Bearbeitern bearbeitet werden. Grund sind Einsprüche aus ganz Deutschland und dem benachbarten Ausland, die von wenigen Menschen in Bretten initiiert wurden.

Dazu kommen weitere gefährdete Arbeitsplätze?
Leider ja, wenn alles negativ laufen würde, könnten Ende 2006 tausend Arbeitsplätze fehlen. Davon bleiben 400 im benachbarten Gochsheim erhalten. Krisenmanagement zu sichern und Schaffung von Arbeitsplätzen zählt auch im nächsten Jahr zu meinen wichtigsten Aufgaben. In der heutigen Zeit der Globalisierung bietet die Wirtschaft fast nur noch ,,gefährdete“ Arbeitsplätze: Wer zu rudern aufhört, treibt zurück, sagt ein chinesisches Sprichwort. Wir sollten daran immer denken, vor allem wenn die „Jetzt-ist-genug“-Argumente lauthals verkündet werden. Nichts ist sicherer als der Wandel.

Für viele bedeutet die Schaffung von Arbeitsplätzen keine theoretische Diskussion, sondern beinhaltet vorrangig die Möglichkeit, die Familie ernähren zu können und ein Leben in Würde zu führen. Bei manchen ,,Naturschützern“ scheinen diese Argumente mitunter weniger Gewicht zu haben…
Für mich ist beides wichtig. Das Recht auf Arbeit und die Erhaltung einer intakten Umwelt. Wir müssen alles dafür tun, dass Natur erhalten und Flächenverbrauch reduziert wird. Bretten ist dafür ein positives Beispiel mit seiner Reaktivierung von fast 45 ha Industriebrache im Süden der Stadt. Dort entstehen in der Nähe von Baugebieten weniger störende Nutzungen und Arbeitsplätze bei Dienstleistern auf ehemals vorbelasteten Flächen. Dies hat viel Geld gekostet aber Landschaft geschont. Als Mittelzentrum sind wir auch auf produktive Firmen angewiesen. Zentral ausgewiesen wurde dafür das Industriegebiet Gölshausen. Im Rinklinger Tal wurde die Bestandspflege mit Erwerb des Güterbahnhofs für zwei wichtige Betriebe gerichtet. Insgesamt hat damit die Stadt den Landschaftsverbrauch minimiert. Im Vergleich hat die Stadt Bretten trotzdem positivere Entwicklungen bei Arbeitsplätzen und Steuerkraft als andere Kommungen mit deutlich höherem Flächenverbrauch. Diese Fakten werden von einzelnen ,,Naturschützern“ ständig in Frage gestellt und Planungsbeschlüsse des Gemeinderates angegriffen, wie das Beispiel Rüdtwald oder auch der Flächenbedarf für Wohnungsbau und Straßen zeigt. Wer sich ausschließlich für Naturschutz einsetzt muss wissen, dass die Stadt als Gemeinwesen vielschichtige Bedürfnisse zu befriedigen hat. Leider ist diese Erkenntnis manchmal hör- und sichtbar unterentwickelt.

Was bereitet Ihnen für das neue Jahr die größten Sorgen?
Neben den weiter anhaltenden Verkehrsstörungen durch weiteren Straßenbau habe ich vor allem Sorge über den evtl. Verlust vieler Arbeitsplätze. Zum Glück gibt es aber auch positive Signale von Unternehmen der Stadt, die Zuwächse verzeichnen. Große Sorgen bereitet auch 2006 der Haushaltsausgleich trotz der weiter sehr guten städtischen Steuereinnahmen. Die von Bund und Land initiierten Gesetze müssen die Kommunen ohne ausreichenden Finanzausgleich finanzieren. Hoffnung setze ich auf die Politik in Bund und Land, die mutig Strukturreformen in Angriff nehmen und erkennen muss, dass mit dem Staat kein Staat zu machen ist, wenn die Kommunen nicht mehr gestalten sondern nur noch den Mangel verwalten können. Soweit sind wir bei allen Problemen aber zum Glück noch nicht in Bretten.
Es wird auch 2006 in die Infrastruktur investiert. Vor allem in Schulen, Ausbau von Straßen, Fertigstellung der Sporthalle, Erweiterung der Kläranlagen und des Industriegebiets Gölshausen.

Und was wurden Sie sich wünschen – für Bretten – aber auch darüber hinaus?
Bretten ist Teil dieser Welt. Natürlich hat man spezielle Wünsche für die Heimatstadt; zum Teil habe ich sie auch weiter oben formuliert. Aber wesentlicher als manches dieser Probleme ist, dass wir inneren Frieden und äußere Freiheit schaffen und bewahren.

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