Presse kommentiert

Pressezu Brettener Nachrichten am 2. Februar 2015 „Bildung braucht Zeit“
Ex-Schulpräsident Werner Schnatterbeck bei Empfang der Gondelsheimer CDU
Dieser Beitrag bedarf dringend einer Ergänzung.

„Große Skepsis“ gegenüber dem G8. Denn: „Bildung braucht Zeit“ und müsse in die Tiefe gehen. So weit, so gut. Jedoch meines Erachtens nicht weit und gut genug!

Wir erleben bereits seit langem das Dilemma vieler Lehrer, die durch gezielte Vorgaben immer mehr in ihrer pädagogischen Handlungsfreiheit eingeschränkt werden. Darüber führte ich ein allgemeines Gespräch mit einer mir bekannten Lehrerin vor nicht allzu langer Zeit.

Es sollen vermehrt Unterrichtsstunden umgesetzt werden, die im staatlichen Schulsystem noch geradezu verpönt waren und die in Privatschulen nur leidlich funktionierten. Warum verfolgen allgemeinbildende Schulen plötzlich ideologische Ziele des sturen Selbstlernens?

Rationale Gründe beziehen sich heute fast immer auf Überlegungen finanzieller Art. In der ökonomisierten Bildungswelt soll plötzlich alles möglich werden: Der pädagogische Himmel auf Erden, Abitur und Inklusion für jedermann. Das Gymnasium als „Volksschule“ mit individueller Förderung für alle, Lehrer und Schüler als „Partner“ und so weiter!

Wie soll das funktionieren, wenn Schüler sich alles selbst beibringen? Wo bleiben die Erfolgsnachweise dieser Ideologie, wenn aktuell immer mehr Universitäten und Hochschulen dazu übergehen (müssen), Kurse und Seminare anzubieten, in denen die Abiturienten ihre „Hochschulreife“ sozusagen zum zweiten Mal erwerben müssen, bevor sie überhaupt mit dem Studium beginnen können?

Diesen grundlegenden und erwähnenswerten Gesichtspunkt habe ich in dem Zeitungsbericht von Michael Klebon vermisst. Gut möglich, dass Herr Schnatterbeck darüber nicht gesprochen hat.

Die Themen dieses Tages in einem anderen Jahr :

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6 Antworten zu Presse kommentiert

  1. Lr sagt:

    BNN SÜDWESTECHO 9. Februar 2015

    „Realschule dient als politischer Zankapfel“
    CDU-Kandidat Wolff und Grün-Rot sind uneins

    Das soll (Schul-) Bildungspolitik in Baden-Württemberg sein. Bereits jetzt mischt sich ein CDU-Kandidat für 2016 ein. Das nennt man dann Profilierung. Wohl mehr Sucht als Profilierung!

    All das geschieht auf den Rücken von Eltern, Lehrern und Schülern, um für weitere Verwirrungen zu sorgen. Eben das zeichnet Politik für die Menschen aus! 🙂

  2. LH sagt:

    @ mst. am 4. und 5. Februar, 2015

    Man muss weiterhin wissen:

    Nach wie vor ist es der Lehrer, der den Unterricht gestaltet, selbst wenn er sich dabei mehr oder weniger auf schriftliche Arbeitsmaterialien stützt.

    Schüler brauchen Anregung und Hilfe. Und es geht auch nicht immer ohne einen gewissen Zwang. Nicht das Lernen macht unbedingt Spaß, sondern der Erfolg der Anstrengung.

    Auch Lob und Tadel des Unterrichtenden spielen eine nicht zu unterschätzende Rolle. Man scheint vielfach vergessen zu haben, dass viele Schüler – besonders jüngere – für ihren Lehrer lernen!

  3. mst. sagt:

    Hoffentlich unterrichten die meisten Lehrer weiterhin ihre Schüler auch „frontal“ im Klassenverband, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben. Jede sinnvolle Unterrichtsgestaltung muss so aufgebaut sein, dass unterschiedliche methodische Verfahren angewendet werden.

    Frontaler Unterricht bedeutet doch nicht, dass der Lehrer stundenlang Monologe hält.

    Im Gegenteil: Im Unterrichtsgespräch mit einer Klasse oder Lerngruppe wird ein guter Lehrer immer bemüht sein, sich zurückzuhalten, um möglichst viele Schüler zu Wort kommen zu lassen. Dabei spielen ihre Fragen eine besondere Rolle.

    Jeder darbietende Unterricht kann nur frontal erfolgen.

    Selbst in den für Gruppenunterricht besonders geeigneten Fächern wie Physik, Chemie, Biologie und Werken wird es immer frontale Unterrichtsphasen geben müssen, wenn es um die Planung und die Ergebnissicherung geht.

  4. mst. sagt:

    Es ist und bleibt für mich immer wieder unfassbar, wenn und wie Schulpolitiker nach jedem Wechsel im Ministerum die Kollegien dazu auffordern, viele Teile des pädagogischen Sachverstands von Lehrern über Bord zu werfen, um die z.B. in BW am grün/ROTEN! Tisch ausgedachte gerade aktuelle Schulpolitik zu praktizieren.

    Das schafft Frust unter den Lehrern, Schülern und Eltern.

    Auffällig ist für mich ein deutlicher Widerspruch in der aktuellen Bildungspolitik: Während der Schüler zunehmend seine Fähigkeiten individuell nach seinen eigenen Vorstellungen ausbilden soll (und oft dabei allein gelassen wird), wird gleichzeitig die Lehrerschaft in ein immer enger werdendes Korsett gezwungen, das ihre methodischen Möglichkeiten einengt. Dabei entsteht viel Motivationsverlust, weil so manch eigene Kompetenz nicht mehr gefragt ist und auf diese Weise verlorengeht.

    Auch Lehrer haben individuelle Stärken und Schwächen. Zwingt man Lehrer dazu, nur ganz bestimmte Methodiken im Unterricht zu verwirklichen, gehen pädagogische Bereiche im Unterricht verloren, die bestimmte Schülergruppen dringend zum Lernerfolg benötigen.

    Cui bono?

  5. LH sagt:

    Ich bin kein Verfechter der auf acht Jahre verkürzten Gymnasialzeit.

    Das Scheitern auf einer breiteren Front lässt jedoch keine guten Rückschlüsse auf die Planung und Realisierung zu. Die möglichen Schwachstellen waren schon lange vor der Einführung bekannt. Nachzügler konnten sie an Nachbarländern studieren.

    Vielerorts hat man es nicht einmal hinbekommen, ein schlüssiges Spiralcurriculum = die Anordnung von Lerninhalten als Form der Unterrichtsmethodik zu entwickeln, das die einzelnen Stufen verzahnt, inhaltliches und methodisches Lernen dem zeitlichen Rahmen anpasst und nachweislich auf einem reflektierten Bildungsverständnis beruht.

    Ein junger Mensch, der ein Jahr weniger die allgemeinbildende Schule besucht hat, soll genauso „beschaffen oder geeignet“ sein wie der bisherige G9-Absolvent? Das wären meines Erachtens grundsätzlich falsche Erwartungen!

    Ich hätte mir von einem ehemaligen Schulpräsidenten in seinem Vortrag etwas und davon mehr erwartet als „Bildung braucht Zeit“.

  6. LH sagt:

    Wie ist aktuell die Stimmung in BW – für G8 oder G9?

    Damit G8 für die Schüler erträglicher wird, kann man ja übermäßige Hausaufgaben, überfrachteten Lehrstoff und zu viel Unterricht am Nachmittag wegfallen lassen.

    Das sind Schlagworte, mit denen die im Zuge des Akademisierungswahns stattfindende Gleichmachung der Abiturleistungen nach unten beschönigt wird. An den Universitäten tummeln sich dann noch mehr Studenten, die nicht studierfähig sind.

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