Wirtschaftskrise ist mit Verzögerung angekommen

Bürgermeister Leonhardt: Frühstens 2012 wird Bretten wieder mehr Geld aus der Gewerbesteuer einnehmen
Geringere Steuereinnahmen nur ein Teil der Misere
Von unserem Redaktionsmitglied Joachim Schultz
Bretten/Gondelsheim. Sicher würde Brettens Bürgermeister Willi Leonhardt mit seinem Kollegen im Neckarsulmer Rathaus gerne tauschen, wenn er sich nur die Gewerbesteuereinnahmen dort im laufenden Jahr ansieht: 101 Millionen Euro nimmt Neckarsulm 2010 durch die Gewerbesteuer ein. Damit ließe sich in Bretten so manch Wünscheswerte bewerkstelligen. Man denke nur an die Bereiche Bildung und Betreuung. Doch was die Gewerbesteuer-Millionen anbelangen, spielt Neckarsulm in einer anderen Liga. Unerreichbar für Bretten. In Bretten sind die Einnahmen aus der Gewerbesteuer zurückgegangen (die BNN berichteten). 2008 flossen 21 Millionen Euro in die Stadtkasse, 2009 noch 15 Millionen und aktuell rechnet man mit 13,7 Millionen. Eine Folge der Krisenjahre. Den Brettener Unternehmen ging es so schlecht, dass die Steuern, die hiesige Unternehmen an die Stadt abgeben müssen, weniger geworden sind.

Daran könnte sich etwas ändern, wenn man die positiven Meldungen von Wirtschaftsverbänden über volle Auftragsbücher liest. Leonhardt übt sich trotz dieser eigentlich guten Nachrichten in verhaltenem Optimismus, denn die anspringende Konjunktur hilft Bretten vorerst nicht aus der Misere. „Wir hoffen natürlich alle auf bessere Zahlen. Auch wenn die Stimmung in der Wirtschaft besser ist als vor einem Jahr und viele Branchen über eine glänzende Auftragslage berichten, entscheidend für uns ist, wie gut es den Unternehmen in Bretten geht“, sagt Leonhardt. Höhere Gewerbesteuerzahlungen gäbe es nur, wenn die in Bretten gewerbesteuerpflichtigen kleinen und großen Firmen bessere Gesamtbetriebsergebnisse vorlegen als im Krisenjahr.
Frühestens 2012 würden sich „gute Betriebsergebnisse auf die Gewerbesteuereinnahmen auswirken“ und Bretten wieder mehr Geld durch die Gewerbesteuer einnehmen, ergänzt Leonhardt. Hintergrund der Verzögerung: Die Unternehmen haben einen zeitlichen Spielraum, wann sie ihre Unterlagen mit den Geschäftsergebnissen beim Finanzamt einreichen. „Das ist wie bei bei der Einkommenssteuererklärung eines Privatmanns.“

Geringere Betriebsergebnisse bedeuten gleichzeitig geringere Gewerbesteuereinnahmen. Jetzt mit zweijähriger Verspätung treffe die Wirtschaftskrise Bretten, obwohl der Aufschwung da ist. Mit Sparen, dem Griff in die Rücklagen, dem Streichen von Leistungen und neuen Schulden versucht man in Bretten, wie übrigens in vielen anderen Kommunen, die Haushaltslöcher zu stopfen.
Doch die Steuereinnahmen, aktuell spricht Leonhardt von 13,7 Millionen statt der veranschlagten 13 Millionen, machen nur einen Teil der Misere aus. Einerseits unternimmt man Sparanstrengungen, um in diesen Krisenzeiten über die Runden zu kommen, doch andererseits wächst die Fülle der Aufgaben, die wir übernehmen sollen, beklagt Leonhardt. „Bund und Land bürden uns immer mehr Aufgaben auf, ohne dafür voll zu bezahlen, siehe Kinderbetreuung an Schulen und Kindergärten.“ Allein für den laufenden Betrieb von Kindergärten und Krippen gibt Bretten 4,5 Millionen Euro aus, dem aber nur ein Landeszuschuss in Höhe von 1,7 Millionen Euro gegenübersteht, betont Leonhardt.

Bretten und das benachbarte Gondelsheim sind allein schon wegen der unterschiedlichen Größe nicht unbedingt vergleichbar. Trotzdem lohnt ein Blick. Dort sieht es trotz Finanzkrise besser aus. Bürgermeister Markus Rupp: „Die Gewerbesteuereinnahmen sind seit vier Jahren konstant. Durch die vielfältige Struktur der Betriebe sind wir bei der Gewerbesteuer unabhängiger vom wirtschaftlichen Auf und Ab. In den vergangenen zehn Jahren hat sich das Aufkommen aus der Gewerbesteuer durch die Ansiedlung neuer Betriebe verfünffacht.“ 2010 rechnet Rupp mit Erlösen aus der Gewerbesteuer in Höhe von rund 570 000 Euro. Optimistisch äußert sich Rupp für die Zuweisungen des Landes aus der Einkommensteuer. „Weil mehr Menschen aus der Arbeitslosigkeit kommen und eine Beschäftigung finden, steigt dieser Einkommensteueranteil für die Gemeinden.“ Gleichzeitig sieht er eine Entlastung der Kommunen. „Wenn mehr Menschen einen Arbeitsplatz haben, wird die Kreisumlage der Gemeinden für Sozialausgaben zurückgehen.“

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5 Antworten zu Wirtschaftskrise ist mit Verzögerung angekommen

  1. klamm; eugen sagt:

    Zum Kommentar -az- am 5. November, 2010

    „Zugegeben, möglicherweise sind es zu viele Fragen für eine reale und ehrliche Antwort aus dem Rathaus.“

    Ein schönes Merkmal in der Demokratie ist, man darf Fragen stellen.
    Nicht unbedingt ein Merkmal ist, darauf auch eine Antwort zu erhalten.
    Oder ein schlechtes Merkmal ist, keine Antwort zu erhalten.

    Was für Stuttgart 21 ganz besonders gilt, gilt schon ganz allgemein für Bretten!

  2. hampel sagt:

    An spezi

    Mit der Rechenschaftspflicht der Stadtverwaltung Bretten scheint es nicht weit her zu sein.
    Zumindet einer muss wissen, wer wieviel Geld für nichts kassiert hat: Der Stadtkämmerer.

    Aber der scheint keine Auskunfts- und Rechenschaftspflicht über die Geldverwendung oder besser Geldverschwendung für den Haushaltstitel „Infrastruktur“ zu haben.

  3. -az- sagt:

    Bretten ist schon einzigartig! Vom „Tal der Tränen“ wird berichtet obwohl in der selben Ausgabe Gondelsheim gerade so strotzt von positiven Meldungen – „Dort steht es trotz Finanzkrise besser aus.“

    Einen Tag später ist zu lesen: „Milliarden Mehreinnahmen für das Land“ oder „Rote Null‘ erscheint in diesem Jahr möglich“ – für Karlsruhe. Was sind das für Meldungen!?

    Liegt Bretten nicht im Land, bzw. im Landkreis Karlsruhe, oder sind das die Auswirkungen auf das viel gepriesene „antizyklische Verhalten“? Oder gar „Nebelkerzen“? Zugegeben, möglicherweise sind es zu viele Fragen für eine reale und ehrliche Antwort aus dem Rathaus.

  4. spezi sagt:

    Bürgermeister Markus Rupp:
    …“Durch die vielfältige Struktur der Betriebe sind wir bei der Gewerbesteuer unabhängiger vom wirtschaftlichen Auf und Ab.“…

    Genau das behauptete der Brettener Gemeinderat und der damalige GR-Vorsitzende auch. Gilt scheinbar nur für Zeiten mit steigenden Einnahmen aus der Gewerbesteuer.
    Man hätte vielleicht doch die Unternehmer auf der Fläche des Rüdtwaldes ansiedeln sollen – weil sie angeblich Schlange standen… 🙁
    Was hat wohl alleine die vergrabene „Infrastruktur“ an Röhren und Geld verschlungen, die man jetzt nicht mehr brauchen kann?

  5. henseler sagt:

    Was für ein Lese-Quatsch mit der Gewerbesteuer!

    Nachfolgend ein paar Einzelheiten zur Aufklärung.

    Quelle: Statistisches Bundesamt, Wiesbaden 2010

    Kassenmäßige Steuereinnahmen von Bund, Ländern und Gemeinden nach Steuerarten 2009:

    177,0 Mrd.€ 33,8% Umsatzsteuer(Mehrwertsteuer)
    135,2 Mrd.€ 25,8% Lohnsteuer
    32,4 Mrd.€ 6,2% Gewerbesteuer
    26,4 Mrd.€ 5,0% veranlagte Einkommensteuer
    und weitere

    524,0 Mrd.€ Steueraufkommen insgesamt

    Jeder Leser kann erkennen, was die von den Gemeinden so hoch gelobte Gewerbesteuer in Wirklichkeit ausmachte = 6,2 Prozent. Echt lachhaft!

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