Mit blauem Auge davongekommen

Kunden der Bodenseewasserversorgung von Cross-Border-Leasing-Geschäften betroffen
Als Dorfschultes mit „null Ahnung“ bezeichnet
Von unserem Redaktionsmitglied Christina Zäpfel
Pforzheim/Bretten/Kraichtal. „Wasser bewegt uns“, lautet der Slogan der Bodenseewasserversorgung (BWV). In diesen Tagen sind die Gemüter ihrer Mitglieder aber weniger vom guten Wasser als von den Finanzgeschäften des Verbands bewegt. Im gesamten BNN-Verbreitungsgebiet haben die Verantwortlichen in den Rathäusern zwar mehrheitlich die Finger von Cross-Border-Leasing-Geschäften (CBL) gelassen. Indirekt sind nach BNN-Recherchen Städte und Gemeinden wie Pforzheim, Bretten, Kraichtal, Sulzfeld, Knittlingen, Königsbach-Stein oder auch Tiefenbronn als Kunden des Zweckverbandes aber doch vom Thema tangiert.

Um einen Verlust auszugleichen, der der Bodenseewasserversorgung durch die Auflösung ihres Cross-Border-Leasing-Geschäfts jetzt entstanden ist, rechnen die Kunden mit einer Wasserpreiserhöhung von bis zu fünf Cent pro Kubikmeter.
Sogenannte „Cross-Border-Leasing-Geschäfte“ (siehe auch Stichwort) können selbst Kämmerer kleiner Gemeinden derzeit um den Schlaf bringen. Seitdem die ehemals größte Versicherung der Welt namens AIG (American International Group) weltweit in die Schlagzeilen geriet und Rekordverluste vermeldet hat, drohen hierzulande deren gewagte Leasinggeschäfte mit kommunalen Vertragspartnern zu platzen.
Im Jahr 2001 hatte sich die BWV-Versammlung mit einer Mehrheit von 83 Prozent auf ein Cross-Border-Leasing-Geschäft mit einem nicht näher genannten US-Finanzinvestor eingelassen. „Die AIG ist dabei als Mittlerin aufgetreten“, sagte die BWV-Pressesprecherin Maria Quignon gegenüber den BNN. Aufgrund einer klammen Finanzlage habe man seinerzeit technische Anlagen wie das Wasserwerk in Sipplingen sowie 1 700 Kilometer Wasserleitung verkauft und sofort zurückgemietet.

Auf das überraschende Angebot des US-Finanzinvestors auf Rückabwicklung der ursprünglich auf 30 Jahre angelegten Transaktion, habe der Verband jetzt sofort reagiert. Insgesamt sind für die Auflösung etwa 51 Millionen Euro vorgesehen. Dies übersteigt den ursprünglich durch die Transaktion erreichten finanziellen Vorteil von 44 Millionen Euro um sieben Millionen Euro. Sieben Millionen Euro, die jetzt an den Wasserkunden hängen bleiben: „Wir sind nochmal mit einem blauen Auge davon gekommen“, lautet die einhellige Meinung in den betroffenen Kommunen. Pforzheim etwa bezieht rund 60 Prozent seines Wassers vom Bodensee: „Wir erwarten Mehrkosten von insgesamt 30 000 Euro“, sagte Johannes Rager, Pressesprecher der Pforzheimer Stadtwerke, auf Nachfrage dieser Zeitung. Pforzheim gehörte damals zu den Befürwortern des Geschäfts, jetzt muss die Mehrbelastung durch Kosteneinsparungen an anderer Stelle ausgeglichen werden.

„Weil wir 80 Prozent unseres Wassers vom Bodensee beziehen, rechnen wir mit Mehrkosten von 28 000 Euro, die ab 2010 auch auf die Wasserpreise direkt beim Verbraucher durchschlagen“, heißt es auch aus Kraichtal. Der Unmut vor allem in den kleineren Kommunen ist dementsprechend groß. Der Bürgermeister der ebenfalls betroffenen 5 600-Einwohner-Gemeinde Tiefenbronn, Friedrich Sämann, sei wegen seiner Ablehnung der Geschäfte seinerzeit als „Dorfschultes mit null Ahnung“ bezeichnet worden. Dass man noch rechtzeitig den Kopf aus der Schlinge gezogen hat, ist für ihn nur Grund zu verhaltender Freude. „Lieber ein Ende mit Schrecken“, fasst auch Lautenschläger zusammen.

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3 Antworten zu Mit blauem Auge davongekommen

  1. i-L sagt:

    Und die Stadtwerke Bretten und/oder die Stadt Bretten? 🙁

  2. A/P sagt:

    Taktik!

  3. -el- sagt:

    „…wie Pforzheim, Bretten, Kraichtal, Sulzfeld, Knittlingen, Königsbach-Stein oder auch Tiefenbronn als Kunden des Zweckverbandes aber doch vom Thema tangiert.“

    Und warum sagt uns der Verwaltungschef von Bretten das nicht?
    Ist das Desinformation oder Feigheit?

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