Petition für Erhalt des Rüdtwaldes

Mit Datum vom 25.10.2006 haben BUND und BAK Bretten beim Landtag von Baden-Württemberg eine Petition für den Erhalt des Rüdtwaldes eingebracht:

Landtag von Baden-Württemberg
Petitionsausschuss
Konrad-Adenauer-Str. 3
70173 Stuttgart

Betr.: Umwandlung von Wald in ein Gewerbegebiet auf Gemarkung Bretten, Landkreis Karlsruhe

Sehr geehrte Damen und Herren,
die Stadt Bretten hat die Umwandlung eines ökologisch wertvollen Mischwaldes in ein Gewerbegebiet bei der Körperschaftsforstdirektion Freiburg beantragt.
Im Auftrag der Stadt Bretten wurde eine UVS durchgeführt, der Regionalplan (unter Vorbehalt) und der Flächennutzungsplan geändert, sowie das betreffende Waldstück aus dem Naturpark Stromberg- Heuchelberg herausgenommen. Diese Vorhaben, die gegen den ausdrücklichen Willen der Bürger vorangetrieben wurden, sind aus verschiedenen Gründen abzulehnen :

1.) In der vorab von der Stadt Bretten in Auftrag gegebenen UVS wurden 3 Standorte auf ihre Eignung überprüft, wobei ein Standort (Schwarzerdhof) sich in privater Hand befindet und nach Aussagen der Besitzer unter keinen Umständen zur Verfügung steht. Die im weiteren Verfahren nach EU-Recht erforderliche strategische Umweltverträglichkeitsprüfung hat nochmals die hohe ökologische Wertigkeit des Rüdtwaldes belegt. Sie ist aber unser Ansicht nach in folgenden Punkten fehlerhaft wegen :

• Die nach EU-Recht erforderliche Prüfung der Nullvariante wurde nicht durchgeführt.

• Der Bedarf konnte weder im Vorfeld der Planungen noch bei den folgenden Verfahrensschritten nachgewiesen werden

• In diesem Zusammenhang wurde das Angebot des sich in unmittelbarer Nähe befindlichen interkommunalen Gewerbegebietes der Gemeinden Oberderdingen, Flehingen, Zaisenhausen und Sulzfeld abgelehnt

• Unmittelbar vor Beginn der Untersuchungen zur SUVS wurde eine Durchforstung durchgeführt, was die Ergebnisse zwangsläufig verfälschen musste. Es wurden dabei Höhlenbäume, die Spechten und Fledermäusen als Nistplätze dienen, gefällt! Damit wurde ein wesentliches Kriterium zur Erhalten des Waldes (Wochenstuben für Fledermäuse) beseitigt. (Siehe Fledermausgutachten)

• Ein besonderer Untersuchungsschwerpunkt hätte der Nachweis der Gelb-bauchunke (Rote Liste Art) darstellen sollen. Diese kam im angrenzenden Gebiet noch vor wenigen Jahre vor. Fachgerechte Untersuchungsmethoden wie die Schaffung von Wagenspurbiotopen wurden trotz Forderungen des BUND Ortsverbandes nicht durchgeführt. Deshalb konnte auch kein gesicherter Nachweis erbracht werden. Neben weiteren Amphibienarten bildet die Population des Springfrosches im Rüdtwald ein zwischen Rheinebene und Stromberg regional bedeutsames Vorkommen. Dieser für die Population bedrohliche Lebensraumverlust kann durch keine Ausgleichsmaßnahme ausgeglichen werden

• Das mit der SUVS beauftragte Ingenieurbüro führte keine Untersuchung zur Insektenfauna durch

Insgesamt betrachtet hat die SUVS die hohe ökologische Wertigkeit des Rüdtwaldes nochmals belegt. Trotzdem hat die Stadt Bretten den Standort weiter favorisiert und die Planung weiter vorangetrieben.

2.) Im weiteren Verlauf des Genehmigungsverfahrens musste der Regionalplan geändert werden. Diese Änderung bedeutete bereits das dritte Zielabweichungs-verfahren auf Gemarkung Bretten.
Die positive Entscheidung des Regionalverbandes zur Erweiterung des Industriegebietes Gölshausen wurde zu einem Zeitpunkt getroffen, an dem noch nicht alle erforderlichen Untersuchungen vorlagen :

• Es fehlten zum Beispiel das hydrologische Gutachten, das für die Gemeinde Gölshausen, aber auch für Teile der Kernstadt Brettens, von größter Wichtigkeit ist. Diese Siedlungsgebiete werden im Regionalplan als „hochwassergefährdete Siedlungsgebiete“ bezeichnet. Die jetzt freigegebene Erweiterung verschärft die Hochwassersituation nochmals deutlich. Man nimmt also die Gefährdung der Bevölkerung bewusst in Kauf.

• In der Begründung zur Änderung des Regionalplanes wird den wirtschaftlichen Interessen der Stadt Bretten höchste Priorität eingeräumt

Tatsache ist, dass der Rüdtwald sich im Besitz der Stadt befindet und dadurch die preiswerteste Lösung darstellt. Außerdem widerspricht die Entscheidung des Regionalverbandes den Flächensparzielen der Landes- und Bundesregierung, denn nach dem Landesplanungsgesetz Baden-Württemberg vom 8. April 1992, §13(4) sollte, Zitat : Als Ergebnis des Raumordnungsverfahrens stellt die höhere Raumordnungsbehörde in einer raumordnerischen Beurteilung fest, ob das Vorhaben mit den Erfordernissen der Raumordnung, insbesondere mit den Zielen und Grundsätzen der Raumordnung und Landesplanung, übereinstimmt, Gültigkeit haben. Dies ist hier nicht der Fall.
Gegen die Änderung des Regionalplanes wurden 290 Einsprüche abgegeben.

3.) Da der Rüdtwald im Naturpark Stromberg-Heuchelberg liegt, mussten dessen Grenzen in einem Verfahren geändert werden. Dabei wird argumentiert, dass:
• die Große Kreisstadt Bretten Mittelzentrum ist und eine maßgebliche Aufgabe „die Schaffung neuer Arbeitsplätze sei“. Die Ausweisung von Gewerbeflächen ist aber keine Pflichtaufgabe einer Gemeinde, auch nicht eines Mittelzentrums!

• Erhebungen der Stadt Bretten hätten ergeben, dass in Bretten weniger Arbeitsplätze vorhanden sind als in den Mittelzentren Bruchsal und Ettlingen. Aus der Sicht der Stadt Bretten sei es zwingend geboten, neue Arbeitsplätze zu schaffen. “ Hierzu gehört die Neuausweisung von Flächen zur An- und Umsiedlung von Industrie.“ Dieser Vergleich ist wegen der wesentlich unterschiedlichen Einwohnerzahlen und Strukturen nicht zulässig und sinnvoll. Die Ausweisung neuer Arbeitsplätze muss zudem nicht zwingend die „Neuausweisung von Flächen auf der eigenen Gemarkung“ bedeuten. Geht es der Stadt Bretten wirklich nur um Arbeitsplätze, stehen schon seit Jahren im benachbarte Oberderdingen Flächen in gleicher Größe(!) bereit. In der Region stehen nach Angaben des Regionalverbandes mehr als tausend Hektar bereits erschlossene Gewerbegebiete zur Verfügung.

• Eine „Nullvariante“ kam für die Stadt Bretten nicht in Betracht, denn, so wird argumentiert : „Die Stadt Bretten ist zur Erfüllung ihrer vielfältigen Aufgaben auf Gewerbesteuereinnahmen angewiesen. Sofern in der Region bei einzelnen Kommunen derzeit aus verschiedenen Gründen ungenutzte gewerbliche Grundstücke zur Verfügung stehen, kann dies der Stadt Bretten nicht angelastet werden“. Angelastet werden kann der Stadt Bretten sehr wohl, dass sie sich weigert, Angebote seitens der Gemeinde Oberderdingen anzunehmen. Dort sind Gewerbeflächen sofort und in gleicher Größenordnung verfügbar.

• Als Ergebnis der Untersuchungen im Zuge des Umweltberichts wird bezüglich der Amphibienpopulation festgestellt, dass unter Berücksichtigung der aufgezeigten Verminderungsmaßnahmen (Amphibienleiteinrichtungen, Anlage von Ersatz-gewässern) und Ausgleichsmaßnahmen der Fortbestand der Springfroschpopulation nicht gefährdet sei. Im Bebauungsplan sind die angesprochenen Leiteinrichtungen allerdings schon nicht mehr enthalten. Für die Ersatzlaichgewässer liegen weder räumlich noch zeitlich konkretisierte Detailpläne vor ! Das Argument, „dass im Rahmen der Bauleitplanungen die artenschutzrechtliche Problematik bewältigt werden kann“ ist somit bereits widerlegt. Es ist zu befürchten, wenn nicht gar zu erwarten, dass mit der Waldumwandlung die Population des (nach Anhang IV der FFH-Richtlinie) geschützten Springfrosches erheblich dezimiert, wenn nicht sogar ausgerottet wird. Auch ist es fraglich, ob darauf verwiesen werden kann, dass „Hirschkäfer“ und „Spanische Flagge“ ohne weiteres als unbeachtlich angesehen werden können, wenn deren Lebensraum nicht als FFH-Gebiet ausgewiesen ist.

Gegen die Änderung der Naturparkgrenzen wurden bundesweit
680 Einsprüche abgegeben.

4.) Das gesamte Vorhaben stößt in der Bevölkerung auf Ablehnung.
6000 Bürger haben sich mit ihrer Unterschrift für die Erhaltung des Rüdtwaldes ausgesprochen !

Wir bitten den Petitionsausschuss zu prüfen, ob aufgrund der vorliegenden Verfahrensmängel und naturschutzfachlicher Bedenken der Wald zu erhalten ist.

Die Themen dieses Tages in einem anderen Jahr :

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15 Antworten zu Petition für Erhalt des Rüdtwaldes

  1. wf sagt:

    Was hat die Große Kreisstadt Bretten im Überfluß? – Hohe Schulden und eine zunehmende Arbeitslosigkeit nach der letzten Statistik.
    Warum will Bretten unbedingt Gewerbeflächen haben? – Natürlich um sie zu verkaufen und so ohne eine echte Gegenleistung Geld in die Kasse zu bekommen.
    Was lernt man daraus? – Die Natur auf der Brettener Gemarkung erfüllt dann einen Zweck, wenn man sie versilbern kann. Sie soll zur Geldbeschaffung durch Ausverkauf zerstört werden.

  2. dr sagt:

    Die (Teil-)Abholzung des wertvollen Rüdtwaldes zur Gewinnung von nicht benötigten Gewerbeflächen auf der Gemarkung Bretten, weil in der Region Gewerbegebiete vorhanden sind, tangiert das öffentliche Interesse sehr stark. Das öffentliche Interesse ist das Wohl der Allgemeinheit. Der vollständige Erhalt des Rüdtwaldes dient dem Wohl der Allgemeinheit.
    Der Brettener Gemeinderat hat sich mit seinem Mehrheitsbeschluß gegen die berechtigten Interessen der Bürger gewandt. Das beweisen zusätzlich die 6000 Unterschriften für den Erhalt des Rüdtwaldes auf eine sehr eindrucksvolle Weise. Die schweigende Mehrheit der Bürger ist darin einzubeziehen.

    Mir ist kein Fall bekannt, wo wertvoller Wald geopfert wurde, um einem äußerst fragwürdigen Bedarf in Form der Bevorratung von Gewerbeflächen zu erfüllen. Ganz abgesehen davon ist die Ausweisung von Gewerbe- und Industrieflächen keine Pflichtaufgabe einer Kommune. Auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines angeblich prosperierenden Mittelzentrums (steigende Arbeitslosenzahlen in Bretten nach der letzten Veröffentlichung) und ach so dringend benötigter Gewerbesteuereinnahmen.

  3. -an-i- sagt:

    Wenn man bedenkt, dass nicht einmal 2% aller Einwohner ein Parteibuch haben und der Rest sich sagen lassen muss was wie getan wird, dann darf nicht nur die Glaubwürdigkeit der Regierenden sondern auch die Seriosität derjenigen und die Dummheit der anderen hinterfragt werden.
    Wenn beispielsweise ein Politiker nicht einmal weiss ob dem Land die Kunsschätze gehören, wie soll er dan wissen, dass irgendwo in der Provinz ein wertvoller Wald abgeholzt wird? Diese Sache ich nicht nur peinlich sondern auch noch lächerlich.

  4. K-H.W. sagt:

    In einer Pressemitteilung vom 15. November 2005 verkündete Umweltministerin Gönner: „Bei den Anstrengungen zur Verringerung des Flächenverbrauchs nimmt Baden-Württemberg unter den Flächenstaaten eine bundesweit anerkannte Vorreiterrolle ein.“ Die tausend Hektar Ackerland in der Region, die ohne Bedarf für Gewerbegebiete versiegelt wurden, lassen an dieser Aussage zweifeln.

  5. Bert.W. sagt:

    Nach dem Landeswaldgesetz soll “die Genehmigung versagt werden, wenn … die Erhaltung des Waldes überwiegend im öffentlichen Interesse liegt.” Wird hier das Gesetz missachtet?
    Wiegt der überzogene Wunsch eines Oberbürgermeisters nach Gewerbeflächen – der vorhandene Alternativen ablehnt – mehr als gesetzliche Vorgaben? Oder ist das Engagement von 6000 Bürgern, die ihren Wald erhalten wollen, kein “öffentliches Interesse” ?

  6. K-F.W. sagt:

    Dieses Verfahren konnte nur mit Zustimmung des Brettener Gemeinderates durchgeführt werden. Wie die Gemeinderatsbeschlüsse zustande kamen, ist den Brettenern längst bekannt: Wichtige Sachverhalte – wie z.B. die Waldumwandlungserklärung – hat man den Gemeinderäte nicht vorgelegt. Die Abstimmung erfolgte “blind” ohne Kenntnis der Fakten. Die Frage womit und von wem die Gemeinderäte beeinflusst wurden ist im Augenblick noch offen. Ganz “billig” können diese Scheuklappen aber nicht gewesen sein.

  7. H-o.W. sagt:

    Wenn Politiker ihren Behörden einen Maulkorb verpassen und diese als Erfüllungsgehilfen ihrer “Vetterles-Wirtschaft” mißbrauchen, kommt das Holzwürmern gleich, die an den tragenden Säulen des Staates nagen.

  8. D.J. sagt:

    Der jüngsten ARD-Umfrage zufolge klagen 66 Prozent der Bundesbürger über fehlende Gerechtigkeit. Beim Lesen der Petition wird einem klar warum!

  9. Walter Stutterich sagt:

    Es sollter der Frage nachgegangen werden ob denn der Entscheid ohne Kentniss aller Fakten überhaupt bestand haben kann.
    Helfen könnte http://www.idur.de es lohnt sich dort Mitglied zu sein.

    Walter Stutterich

  10. M.F. sagt:

    Ein Verfahren mit solchen Mängeln und Fehlern gegen den Willen der Bürger durchzuführen und die Umwandlungsgenehmigung trotzdem zu erteilen, ist kein Ruhmesblatt für die Umweltpolitik im „Musterländle“!

  11. CH. W. sagt:

    Beim Lesen der Rüdtwald-Seiten drängt sich der Verdacht auf, dass die Rodung von „ganz oben“ schon „abgesegnet“ war bevor (!) der Wald auf seine Bedeutung für Natur und Hochwasserschutz untersucht wurde!

  12. H.Sch. sagt:

    Der Brettener Rüdtwald wird zum Prüfstein der Landesregierung. Mit der Rodung wird sie ihre Glaubwürdigkeit in puncto Umweltpolitik verlieren.

  13. F.S. sagt:

    Wenn die Landesbehörden der Rodung eines wertvollen Naturparkwaldes zustimmen, dann wird so der landesweiten Vernichtung von Waldbiozönosen Tür und Tor geöffnet. Dies wäre ein Freibrief für alle Gemeinden, die aus Kostengründen eigenen Wald umwandeln und die Fläche vermarkten wollen. Selbst artenarme Fichtenmonokulturen wären dann erst recht dem kommunalen Flächenfraß ausgeliefert.

  14. R.W. sagt:

    Im Koalitionsvertrag setzt die Landesregierung auf eine Dialogorientierung in der Umweltpolitik : „Baden-Württembergs Bürgerinnen und Bürger und die heimischen Umwelt- und Naturschutzverbände haben sich in der Vergangenheit in vielfältigen Initiativen für die Erhaltung unserer Umwelt eingesetzt. Dieses Engagement ist eine Stärke des Landes, die wir weiter fördern wollen.“ Die Rodungsgenehmigung wäre aber ein Schlag ins Gesicht derer die sich ohne Eigennutz für die Erhaltung der Natur einsetzen.

  15. Polak sagt:

    Jetzt wird sich zeigen, ob in Stuttgart nur Sonntagsreden zum Naturschutz, Flächenverbrauch und Umweltschutz gehalten werden, oder ob man an diesem sehr konkreten und exemplarischen Beispiel Flagge zeigen wird. Wie sagte die Redakteurin des SWR-Beitrags zum Rüdtwald abschließend so treffend : Ein Präzedenzfall der noch nicht entschieden ist !

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