Saalbach schwoll in Minuten zum reißenden Fluss an

Vor 75 Jahren: Heftiges Gewitter mit verheerenden Schäden und einem Todesopfer / Braunes Wasser aus der Leitung
„Früher hat es das nicht gegeben!“ – wenn es um Hochwasser und Überschwemmungen geht, stimmt das ganz und gar nicht. Vor genau 75 Jahren wurde Bretten von einer Überflutung heimgesucht, wie man seither keine mehr in Erinnerung hat. Stadtarchivar Edmund Jeck hat die Dokumente von damals durchgesehen und den nachfolgenden Artikel verfasst:
Heftige Gewitter im ganzen Kraichgau und den umliegenden Regionen führten am Donnerstag, 7. Mai 1931, dazu, dass viele Bäche über die Ufer traten. In Bretten waren besonders der Saalbach und der Kressbach betroffen. Im südlichen Bereich der Stadt bildete sich innerhalb kurzer Zeit vom Ruiter Tal bis zur Engstelle nach Rinklingen, bei den fünf Brücken, ein riesiger See. Häuser und Ställe waren überschwemmt und Keller standen oft bis an die Decke voll mit Wasser. Stadteinwärts von Richtung Pforzheim her stand alles kniehoch überflutet. Vieh und Kleinvieh mussten in höher gelegene Stallungen gebracht werden, da alles zu ertrinken drohte.

Um die Mittagszeit waren heftig auftretende Gewitter mit sintflutartigen Regenfällen in der ganzen Umgebung niedergegangen. Sie führten dazu, dass innerhalb kürzester Zeit aus kleinen Bächlein reißende Flüsse wurden. Besonders die Firmen (zum Beispiel die Herdfabriken M.A.Lämle AG (Malag) und C. Neff, die Kühlapparatefabrik Schmidt, damals noch in der Wilhelmstraße, hatten in ihren Fabrikanlagen gegen die Wassermassen zu kämpfen. Der Holzlagerplatz der Firma Gebrüder Harsch, Säge- und Hobelwerke (heute Hagebaumarkt), stand vollkommen unter Wasser. Der Augenzeuge D. Dr. Otto Beuttenmüller erzählte vor einigen Jahren: „Riesige Baumstämme schwammen wie ferngelenkt auf dem Betriebsgelände umher.“

Die Feuerwehr konnte zunächst nur zusehen, wie das Wasser stieg, stellte aber zur allgemeinen Sicherheit Brückenwachen auf. Trotzdem konnte nicht verhindert werden, dass ein Landwirt, der in der Wilhelmstraße wohnte und sein Vieh in Sicherheit bringen wollte, von den Fluten unter die Brühlgrabenbrücke gespült wurde und ertrank. Sämtliche Felder und Gärten in der Tallage wurden überflutet. Ebenso war es mit dem Gölshausen Dorfbach. Normalerweise ein Rinnsal, überflutete er das ganze Tal und bildete einen See. Für den Autoverkehr gab es kein Durchkommen mehr und wichtige Ortsdurchfahrten mussten gesperrt werden.
Nicht viel besser als den Brettenern erging es den Bewohnern in den tieferen Lagen von Rinklingen. Vom Hochwasser besonders betroffen war die Talmühle, die durch den Müller und freiwillige Helfer geschützt werden musste. Konnte man in Bretten noch trockenen Fußes in den Ort gelangen, waren gegen 14 Uhr die Fluten bereits so hoch, dass sämtliche Tiere in höher gelegene Ortsteile gebracht werden mussten. Am Abend, bei zurückgehenden Fluten, bot sich ein verheerendes Bild von überschwemmten Gärten und Feldern. Otto Bickel spricht in seiner Ortschronik von einem gefährlichen Hochwasser, obwohl Dämme aufgeschüttet waren.

Ebenfalls dramatisch war die Lage in Diedelsheim. Mit einem Pferdefuhrwerk wollte ein Landwirt aus Neibsheim durch die Fluten des Hochwassers am Saalbach fahren. Unmittelbar an der Brücke glitt das Pferd aus und stürzte in die reißenden Fluten. Der Wagenlenker und sein mitfahrender Sohn konnten sich nur mit knapper Not retten. Doch das Pferd und der Wagen wurden von den Fluten fortgerissen. Im Bereich Diedelsheim war die Landstraße bis zu 1,5 Meter überflutet.

So schnell wie der Spuk auftrat, war er auch wieder verschwunden. Als die Wassermassen am nächsten Tag abgelaufen waren, wurde das Ausmaß der Verwüstungen bei Häusern, Gärten und Feldern richtig sichtbar. Aus den Wasserleitungen kam noch einige Zeit braune Brühe, da die Brettener Wasserversorgung aus Quellen gespeist wurde.
Wie die damalige Brettener Tageszeitung, das „Tagblatt“, berichtet, gab es auch seinerzeit schon den Katastrophentourismus. Der überlaufende Klostersee beim Kloster Maulbronn wurde Ziel von zahlreichen Schaulustigen, die die herabstürzenden Wassermassen über der Fischtreppe beobachteten.

Es war ein Jahrhunderthochwasser, das keiner so schnell vergaß. Leider sind beim Deutschen Wetterdienst in Karlsruhe und Stuttgart keine Aufzeichnungen mehr über das Unwetter und die enormen Regenmengen vorhanden.

Edmund Jeck

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