Ist Bretten dabei, Entwicklungen zu verschlafen?

Kindergartenbedarfsplan im Gemeinderat verabschiedet:
Bretten. Kein Zweifel, das Kindergartenangebot in Bretten kann sich sehen lassen – jedenfalls, soweit es den Regelkindergarten mit den traditionsbewussten Öffnungszeiten für Drei – bis Sechsjährige betrifft. Und trotzdem scheint man in der Melanchthonstadt auf dem besten Wege zu sein, eine Entwicklung zu verschlafen und die Realität zu verkennen. Der Kindergartenbedarfsplan, der sich zudem auf Fakten von 2003 beruft, obwohl durch die negativen Veränderung des Arbeitsmarktes für viele Familien neue Notwendigkeiten in Sachen Kinderbetreuung entstanden sind, ist ein nüchternes Zahlenwerk, rechnerisch haushalterisch orientiert und trotzdem nicht stimmig. Dass es menschlich nicht stimmig ist, weil es die zunehmende Notwendigkeit einer hoch qualifizierten Ganztagesbetreuung ab einem Jahr außer Acht lässt, wird auch in der gegenwärtigen prekären Situation der Kommune nicht durch die Tatsache entschuldigt, dass solche Plätze vom Land nicht bezuschusst werden. Eine junge alleinerziehende Mutter führte in der Bürgerfragestunde vor der Gemeinderatssitzung anschaulich vor Augen, vor welcher Alternative sie steht: „Ich brauche den Ganztagskindergartenplatz, weil ich voll berufstätig bin und erst abends nach Hause komme. Ich habe sonst nur die Alternative, meine Anstellung aufzugeben und Sozialhilfe zu beantragen.“ Die Frage nach dem Wohl des Kindes erübrigt sich: Soll eine beruflich qualifizierte Frau Hartz IV – Empfängerin werden und damit in eine Lebenssituation geraten, in der auch die Zukunft schon aussichtslos erscheint – Rückwirkungen auf das Kind in sozialer wie psychischer Hinsicht eingeschlossen? Oder soll sie selbst für den Lebensunterhalt sorgen können – und Steuern zahlen?

Zu einfach gedacht, mag mancher Kommunalpolitiker mit Blick auf die wachsenden Ausgaben für Kinderbetreuung im Haushalt denken. Nein, meine Herren, nicht zu einfach gedacht. Da wird lamentiert über Geburtenverweigerung und demografische Entwicklungen, die katholische Kirche propagiert noch immer realitätsfern das Wohl des Kindes beim Verbleiben der Frau am heimischen Herd. Nur: Die Realität sieht heute so aus, dass viele Familien den zweiten Verdienst dringend brauchen, um existieren zu können, oder um die Kosten auch für die Bildung und Ausbildung ihrer Kinder aufzufangen. Und die Pisa-Studie hat nicht nur gezeigt, dass Bildung in Deutschland sozial abhängig ist, sondern auch, dass Bildung viel früher als bisher hier üblich ansetzen muss.

Doch anstatt die Lehren zu ziehen, die langen Wartelisten beim Haus Regenbogen als Indiz für neue Bedürfnisse und Anforderungen an Kinderbetreuung zu nehmen, konzentriert sich die Verwaltung auf die Kostenfrage, bezogen auf das Haus Regenbogen und auf fehlende Zuschüsse. Und fördert dabei zum Teil leere Plätze bei einigen Trägern, verweist „auf andere Lösungen“ und „ländlichen Raum“. Hat sich noch nicht herumgesprochen, dass auch im ländlichen Raum Großmütter nicht unbegrenzt zur Verfügung stehen – und hat sich einer der Herren schon mal die Mühe gemacht, pro forma eine Tagesmutter zu suchen? Wohl nicht, denn dann wüsste er : Es gibt sie so gut wie nicht im „ländlichen Raum“.

Otto Mansdörfer brachte es als Einziger auf den Punkt: „Kindergärten haben eine wachsende Bedeutung für Bildungslandschaft und Erwerbstätigkeit von Frauen. Wir wissen, dass wir dieses kommunale Handlungsfeld nicht herunterschrauben können.“ Sein Fazit, bezogen auch auf veraltete Zahlen: „Dieser Kindergartenbedarfsplan ist kein guter Weg“.Dem kann man sich anschließen.

Übrigens: Warum fordert die Stadt bei Ansiedlungsgesprächen nicht Betriebskindergärten, vielleicht auch gemeinsam von mehreren Betrieben – ein? Mindestens ein Brettener Firma hätte Schwierigkeiten, müsste Haus Regenbogen schließen.

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