Kasperletheater in der Innenstadt

Europaweit anerkannter Marketing-Experte übt vernichtende Kritik an Brettener Kommunalpolitik
BRETTEN.
Was Brettens Oberbürgermeister Paul Metzger bei der Begrüßung des Referenten Christian Klotz vorsichtig als „Hoffnung“ ansprechen wollte, daß nämlich der angekündigte Vortrag „Gemeinsam die Zukunft von Bretten gestalten“ alle Verantwortlichen seiner Stadt „aufrütteln“ möge, entpuppte sich als vernichtende Kritik der letzten zehn Jahre Kommunal- und Strukturpolitik in der Melanchthonstadt.

Klotz, Stadtrat aus Bad Reichenhall, Unternehmer, Vorsitzender der Handelskammer Oberbayern und europaweit als Experte für Wirtschaftsentwicklung anerkannt, der auf Einladung der „Arbeitsgemeinschaft Selbständiger“ (AdS) nach Bretten gekommen war, deutete vor zahlreichen Zuhörern im Ratssaal den Tenor seiner Aussagen bereits in der spöttischen Wiedergabe seiner ersten Eindrücke an, die er „zwischen den 35 Buden des Brettener Weihnachtsmarktes“ gesammelt habe:

„Das ist Kasperletheater in der Innenstadt, und zum Geldausgeben fahren die Bürger an die Peripherie ins Kaufland.“ Was fällt einem Fremden in Bretten auf? Klotz beantwortete die Frage mit allerhand Mißhelligkeiten. Von Pforzheim aus ankommend lande der Autofahrer mit seinem Informationsbedürfnisen in einer „Infobucht“, in der nichts als ein zerknitterter Stadtplan hänge.
Die Fußgängerzone, in die man nur über verschmutzte dunkle Gäßchen gelange, wirke grauselig düster und erinnere an eine ostdeutsche Stadt, zwei Tage nach dem Abzug der Russen.

Eine Fußgängerpassage, in der Käufer ihr Geld ausgeben sollen, müsse sauber und sicher, hell und attraktiv sein und menschliche Wärme ausstrahlen; gerade der letzte Punkt sei die große Chance der kleineren Städte. Verkaufsflächen „nach draußen, an die Ränder zu verlagern, wie es Bretten gemacht habe, sei eine kommunalpolitische Todsünde.

„Wenn Sie noch einmal zehn Jahre lang so weitermachen“, sagte der Redner an OB Metzger und die versammelten Stadträte gewandt, „dann wird ihre Stadt an ihrer historischen Schönheit ersticken.“

„Noch 5000 Quadratmeter“
Bei knapp 30 000 Einwohnern Brettens schaffe die Innenstadt nicht einmal den Einzelhandelsumsatz eines mittleren Dorfes, und davon könne niemand leben, geschweige denn investieren. Die Stadt brauche großzügig über mehrere alte Häuser hinweg angelegte, gut beleuchtete und präsentierte Verkaufsflächen im Innenbereich, liebevolle Anbindungen und Zugänge, mehr Farbe und Blumen. An konkreten Maßnahmen empfahl Klotz weitere 5000 Quadratmeter an Verkaufsfläche in der Innenstadt, einen besseren Branchenmix mit Discountern, Fachmärkten und einigen Luxusgeschäften, ein starkes Textilhaus und die Aufwertung des vorhandenen zentralen Kaufhauses, die Öffnung der Innenhöfe, die Überbauung des Spargassenparkplatzes als „Parallelachse“ zur bestehenden Einkaufspassage mit mehr Kundenparkplätzen und moderne Glasarchitektur zwischen der alten Bausubstanz.

Denn nur der Handel, so der Wirtschaftsexperte, belebe eine Stadt, dann folgten Gastronomie, Kulturangebot, Handwerk und Arbeitsplätze. Freilich könne es sich ein Städtchen wie Bretten, in dem nicht viel los sei, auch nicht länger leisten, die Geschäfte und das Touristenbüro über die Mittagsstunden, in denen sich die Besucherströme aufbauten, zuzusperren, oder an Leute, die ihre Parkzeit überschreiten, Strafzettel zu verteilen, meinte der Referent abschließend.
uh

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12 Antworten zu Kasperletheater in der Innenstadt

  1. schwarz.K. sagt:

    „Kasperletheater in der Innenstadt“
    Pforzheimer Zeitung 16. Dezember 1997

    Fast 17 Jahre sind vergangen.

    Und das Kasperletheater wird immer noch gespielt:

    „Schneider“, Sporgasse, Edeka-Markt Diedelsheimer Höhe, Moschee usw.

  2. schwarz.K. sagt:

    An mm am 11. Dezember, 2009

    Nach fast einem Jahr.

    …“Vielleicht liest der „Neue“ ja BAK und zieht seine Schlüsse aus dem „Kasperle-Theater“?

    Alles wäre möglich. Der „Neue“ hat leider auch nur eine Stimme bei Beschlussfassungen und muss sich der Mehrheit des Gremiums beugen.

  3. JOH. sagt:

    Mal abwarten, was beim bevorstehenden Einzelhandelskonzept rauskommt?

    Hoffentlich kein Kasperletheater! 🙂

  4. D/F sagt:

    Das Kasperletheater findet seine Fortsetzung in der Berichterstattung über die Arbeit des KSC-Präsidenten.

  5. oh sagt:

    Hat es seit 1997 spürbare Fortschritte beim Brettener Stadtmarketing gegeben?

  6. dos sagt:

    Abwarten, ob die kommunalpolitischen Todsünden nach Bekanntwerden des Einzelhandelskonzepts weiter begangen werden.

  7. dos sagt:

    Kasperletheater wird weiter gespielt:

    Ansiedlung im ehemaligen Malag-Gelände!

  8. Dor./Kais. sagt:

    @ alb.-hengst.ler am 11.12.09

    …“bis die Verantwortlichen endlich was geschnallt haben werden.“

    Welche Verantwortlichen mit welcher Verantwortung?

  9. -nz- sagt:

    @ alb.-hengst.ler am 11. Dezember, 2009 16:31

    Man wirft doch keine Perlen… bis zum nächsten Jahr… 🙂

  10. alb.-hengst.ler sagt:

    Der Marketing-Experte Christian Klotz kann ja weiterhin eingeladen werden, bis die Verantwortlichen endlich was geschnallt haben werden! 🙂

  11. Bur- sagt:

    Das kann ich mir nur wünschen! 🙂

  12. mm sagt:

    Aua! Obwohl das weh tat, geändert hat sich seit 1997 aber nichts, oder?
    Vielleicht liest der „Neue“ ja BAK und zieht seine Schlüsse aus dem „Kasperle-Theater“?

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