Der Watschenbaum

Au Backe, das hat gesessen! Drei Stunden lang ging der Bayer Klotz mit den Händlern ins Gericht, versprach jedermann zu beleidigen und hielt Wort. Wort gehalten haben auch die Brettener: Sie waren nicht beleidigt. Sie bedankten sich sogar mit stürmischem Beifall für die Beschimpfung, waren offenbar zufrieden, daß der „Watschenbaum“ einmal umgefallen war. „Sie sind einfach so gut“, lobte Wolfgang Max den Knecht Ruprecht, der aus dem schönen Reichenhall gekommen war.
Dunkel und verschmutzt ist das Städtchen, es fehlt an Farbe und Licht, hielt Klotz seinem Publikum vor. Es mangle an der Aufbruchstimmung, an der Bereitschaft, Verantwortung für die eigenen Angelegenheiten zu übernehmen. Öffnungszeiten lägen haarscharf neben dem Kundenbedarf, die Fassaden seien verlottert, die Mitarbeiter zu wenig motiviert, es werde in der Werbung und an der Präsentation geknausert.

Und auch die Herren aus dem Gemeinderat bekamen, samt Oberbürgermeister, ihr Fett ab: Wirtschaftsförderung für die Innenstadt habe mit der Ansiedlung von Märkten an der Peripherie nichts zu tun. Dagegen müßte Verkaufsfläche in der Innenstadt geschaffen werden. Der sei in Hinterhöfen und in Passagen (über Gassen) ausreichend und attraktiv möglich. Parkplätze müßten her und an den Bundesstraßen sei für eine Einkaufsstadt „mit Herz, Charme und Profil“ zu werben. Attraktive Verkaufsfläche gebe- es auch auf einem überbauten Sporgassenparkplatz mit darunterliegenden Stellplätzen.
Ein Vorhalt reihte sich an den anderen. Die Händler (samt Gemeinderat) saßen und nickten beeindruckt. Der Knecht Ruprecht aus Reichenhall war gut. Aber was davon war eigentlich neu?

Die Überbauung des Sporgassenparkplatzes, die Tiefgarage darunter, hatten vor vielen Jahren zunächst Stadtplaner Ulrich Braun, dann der junge Architekt Oehler ins Gespräch gebracht und sie haben Pläne vorgelegt. Die Händler hat das nicht gejuckt. Die Bausubstanz in der Altstadt nutzen, Hinterhöfe ausbauen, Passagen anlegen, eine bessere Möblierung und Ausleuchtung der Innenstadt? Als der junge Architekt Oehler das vorschlug, hatte er keine öffentliche Resonanz.

Verschmutzt und verlottert ist die Stadt? Was stand denn seit Jahren immer wieder in Leserbriefen? Schlecht motiviert ist das Verkaufspersonal? Was anders berichten die Brettener Kunden bei Umfragen? Die Ladenzeiten passen nicht? Wie oft ist der Vorwurf schon öffentlich erhoben worden?

Neu war jetzt nur die Gesamtschau und die Überzeugungskraft eines begabten Redners. Ob aber seine Hinweise auf die „lebende, lärmende“ Einkaufsstadt Reichenhall so stimmen, wird erst der Besuch dort (und auf der Berghütte!) zeigen. Schließlich erzählte man sich noch vor Jahren in Bayern, daß in Reichenhall jeder wegen ruhestörenden Lärms in Haft kommt, der nach 22 Uhr noch in Schuhen auf der Straße angetroffen wird. Vielleicht war da auch ein wenig „Leit derblecka“ im Spiel -eine beliebte, altbayerische Sportart.
ws

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4 Antworten zu Der Watschenbaum

  1. Verb. sagt:

    Wie viele Watschen braucht es denn noch? 🙂

  2. Verb. sagt:

    Reger Brettener Einzelhandel? 🙁

  3. -az- sagt:

    „Ein Vorhalt reihte sich an den anderen. Die Händler (samt Gemeinderat) saßen und nickten beeindruckt. Der Knecht Ruprecht aus Reichenhall war gut. Aber was davon war eigentlich neu?“

    Das war 1997!
    Und heute?

    Wie viel Geld muss der Steuerzahler für das ehemalige Kaufhaus Schneider zum Schluss beisteuern? Wer wird sich trauen, die wirkliche und endgültige Abrechnung zu präsentieren?
    Warum betreiben die Steuerzahler nicht gleich den gesamten Einzelhandel?
    Warum betreiben nicht die Profis die Parkhäuser?
    Ich denke, so lange der Einzelhandel die Wünsche der Kunden nicht berücksichtigt, wird auch die neue Studie (von der Stadt bezahlt!) nichts bringen. Deshalb, kein Steuergeld für den Einzelhandel! Das ist eine Subvention für ein Klientel, das sich Unternehmer nennt.

  4. mm sagt:

    ois für’d Katz, wei’s wurscht is, des war oiwei a so un werd so bleibn !

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