Können Fachwerkhäuser ein Standortfaktor sein?

Wegoma: Ein Betrieb verläßt den Enzkreis und siedelt sich in Bretten an
BRETTEN. „Unsere Kunden sind ganz begeistert, wenn wir sie durch die Stadt führen.“ Das sagt der geschäftsführende Gesellschafter der Wegoma GmbH mit Sitz in Bretten-Gölshausen. Der mittelalterliche Stadtkern lasse die Herzen amerikanischer und chinesischer Geschäftsleute höher schlagen. Freundliche Atmosphäre, viele Aufträge? Fachwerkhäuser als Standortfaktor? So einfach ist das nicht. Dennoch scheint die Melanchthon-Stadt Bretten eine starke Anziehung auf Betriebe aus dem Enzkreis auszuüben. Über Fragen des Standortes sprach PZ-Redakteur Daniel Zabota mit Wegoma-Geschäftsführer Walter Weiss und Brettens Oberbürgermeister Paul Metzger.

Vorweg: Zwischen den Städten und Gemeinden herrscht ein lebhafter Wettbewerb um die Ansiedlungvon Industriebetrieben. So viele sind das ja nicht mehr. Größe des Grundstücks, Verkehrsanschluß. Erweiterungsmöglichkeiten sind harte Faktoren, hinzu kommen sogenannte „weiche“ Standortfaktoren wie Kultur und Landschaft.
Frage an Walter Weiss: Warum Bretten? Sein Unternehmen, das Maschinen und Vorrichtungen für den Fensterbau produziert und damit rund 70 Millionen Mark umsetzt, expandiere, antwortet er. Für eine räumliche Veränderung sei am bisherigen Standort Eisingen kein Platz gewesen. Wichtiger Gesichtspunkt: „Als Unternehmer kann ich keine Unsummen für einen Bauplatz bezahlen.

Also gibt es bei OB Metzger Boden zu Dumpingpreisen? Nichts genaues weiß man nicht. Der OB spricht nicht über Preise. Sein Konzept aber ist, viele Flächen zu kaufen. Metzger: „Wir haben Riesengrunderwerbe getätigt und denken bei der Verwertung als Stadt nicht eng betriebs-, sondern volkswirtschaftlich.

Das gibt ihm nicht nur die Möglichkeit Boden für die Industrieansiedlung zur Verfügung zu stellen, sondern die Gestaltung auch selbst in die Hand zu nehmen. „Die Stadt muß etwas ausstrahlen. Lieber etwas mehr für das Grundstück bezahlen und dann gestalten – das lohnt sich!“

Hat es sich für die Melanchthon- Stadt schon gelohnt? Ja. Der Oberbürgermeister: „Die Steuerkraft hat sich um gut 60 Prozent erhöht, über 1000 Arbeitsplätze wurden geschaffen und mittelfristig gesichert. Trotzdem sind immer noch weitere 1000 Arbeitsplätze stark gefährdet.“ Es kommt eben nicht nur auf die Zahl, sondern auch auf die Art der Betriebe an, die sich niederlassen. In Bretten galt es, die von Weißware geprägte MonoStruktur aufzulösen und Branchenvielfalt anzustreben. Schließlich ist Paul Metzger optimistisch: „Bei uns werden sich die Strukturen aufbauen, die die Unternehmen brauchen.“

So wichtig Dienstleister für den OB sind, auf Fertigungsbetriebe will er nicht verzichten. Mit verschiedenen Firmen sind wir im Gespräch. Ohne die Wertschöpfung der produzierenden Betriebe ist Dienstleistung nicht bezahlbar.“ Diese Gespräche zwischen Unternehmen und Stadtverwaltung scheinen es in sich zu haben. Paul Metzger: „Wir brauchen eine Abkehr vom üblichen Verwaltungshandeln.

Walter Weiss: „ Metzger handelt flexibler als andere. Ich habe Halsstarrigkeit bei Gemeinden erlebt, dabei kommt ein Nachlaß bei dem Grundstückspreis oft durch die Gewerbesteuer wieder herein.

Gehen den Gemeinden ansiedlungswillige Betriebe verloren, weil die Bürgermeister zu halsstarrig sind? Der Brettener Oberbürgermeister zur Konkurrenz mit dem Enzkreis: „Für uns ist die Kreisgrenze kein Hindernis. Der Austausch ist möglich, die Bürger nutzen die Wechselbeziehungen bei Arbeit und Einkauf, Bretten profitiert sowohl von der Universität in Karlsruhe, als auch von der Pforzheimer Fachhochschule, um qualifizierte Arbeitskräfte zur Verfügung zu stellen. Mit der Weiterführung der Stadtbahn werden sich die Wechselbeziehungen auch mit dem Raum Heilbronn verstärken.“

Am Rande bemerkt: von den rund 100 Arbeitskräften bei Wegoma, kommen rund 70 aus dem Enzkreis. Qualifizierte Arbeitskräfte sind zum Beispiel das, was innovative Betriebe wie die Wegoma brauchen. Für das Unternehmen mit Niederlassungen in zwölf Ländern wäre es ein Leichtes, ins Ausland zu gehen. Walter Weiss: „ Wir denken darüber nach, auch in China zu produzieren. “ Weiss ergänzt: „Obwohl wir 60Prozent exportieren, setzen die deutschen Kunden mit ihren Qualitätsansprüchen den Maßstab. Darauf können wir nicht verzichten.“

Bodenpreis, Infrastruktur, Kooperationsbereitschaft der Kommune, sind also Faktoren, auf die Unternehmen schauen, wenn sie sich niederlassen. Und die schönen Fachwerkhäuser? Walter Weiss: „Die weichen Standortfaktoren sind so wichtig nicht. Es ist allerdings schon vorgekommen, daß ein Wettbewerber die Nase deswegen vorn hatte, weil er sich besser präsentierte.“
Also doch!
dz

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3 Antworten zu Können Fachwerkhäuser ein Standortfaktor sein?

  1. spezi sagt:

    Wichtiger Gesichtspunkt: „Als Unternehmer kann ich keine Unsummen für einen Bauplatz bezahlen.”

    Wie verrückt sind wir eigentlich?

    Da werden Grundstücke mit Steuergeld gekauft und der Finanzier – der Steuerzahler – kennt weder die Einkaufs- noch die Verkaufspreise. So können Verluste verschleiert oder sozialisiert und die Gewinne privatisiert werden. So was nennt man Wirtschaftspolitik.

    Die Politik ist scheinbar ein Phänomen, wo all das gemacht wird, was ein normal denkender Mensch für NICHT richtig hält und sich schon gar nicht vorstellen kann, dass so etwas möglich ist – aber trotzdem bezahlen muss.
    Geht aber murrend noch zur Wahl – mit absteigender Tendenz.

  2. Un. sagt:

    …“Mit verschiedenen Firmen sind wir im Gespräch.“…

    Das redete Metzger bereits vor mehr als fünfzehn Jahren.

  3. mm sagt:

    also doch : Grundstücke zu Dumpingpreisen, verkleidet als Wirtschaftsförderung! Und wo ist Wegoma heute? Vielleicht dort, wo die Grundstücke noch billiger waren?

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